Normen

1. Ehegüterregime
2. Regelung der „weltlichen Dinge“

1. Ehegüterregime

Vgl. dazu die Ausführungen im Menüpunkt Scheidungsfolgen_Normen_Weltliche Gerichtsbarkeit (1783-1850).

2. Regelung der „weltlichen Dinge“

Gesetz über die Ehen der Katholiken im Kaiserthume Oesterreich (1856)

Wie Menüpunkt „Eheverfahren | Normen“  ausgeführt, waren mit Inkrafttreten des Konkordats keine einverständlichen Scheidungen mehr möglich, galt für das Scheidungsverfahren nicht mehr das ABGB von 1811, sondern wieder das kanonische Eherecht bzw. das Gesetz über die Ehen der Katholiken im Kaisertum Österreich, welches als erster Anhang zum Kaiserlichem Patent vom 8. Oktober 1856 publiziert worden war. Nach Paragraph 31 blieb das ABGB von 1811 aber weiterhin für die Regelungen der weltlichen Wirkungen der Scheidung von Tisch und Bett in Kraft:

 „die aus der Ehe entspringenden bürgerlichen Rechtswirkungen […] nach dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche zu beurtheilen [sind], in soweit nicht hierüber in diesem Gesetze besondere Bestimmungen enthalten [wären]“. (§ 31)

Bezüglich der Genehmigung eines abgesonderten Wohnortes und eines provisorischen während der Dauer des Scheidungsverfahrens wurde festgelegt, dass die kirchlichen Ehegerichte diese Anliegen genehmigen oder auch abweisen konnten. Genehmigte das kirchliche Ehegericht einen provisorischen Unterhalt, so hatte die Höhe des provisorischen Unterhaltes das zuständige weltliche Gericht zu bestimmen. Entschieden die Ehefrauen, den abgesonderten Wohnort bzw. den provisorischen Unterhalt bei den weltlichen Gerichten zu beantragen, so verpflichtete § 60 die weltlichen Gerichte die kirchlichen Ehegerichte von etwaigen Genehmigungen in Kenntnis zu setzen. (§ 60)

Zum Zwecke der Ermittlung eines etwaigen Unterhalts- oder Witwenpensionsanspruches schrieb Paragraph 61 den bischöflichen Ehegerichten vor, in den Scheidungsurteilen immer anzuführen, „ob und in wie weit beide Ehegatten oder Einer derselben Schuld tragen“. Hintergrund dafür war, dass einer schuldig geschiedenen Ehefrau nach Paragraph 1264 des ABGB von 1811 der anständige Unterhalt bzw. eine Witwenpension von Seiten der weltlichen Gerichte verwehrt werden konnte.

Paragraph 63 wies die geistlichen Richter an, die geschiedenen Ehepartner*innen zu einem Scheidungsvergleich zu bewegen, in welchem sie die weltlichen Wirkungen regelten:

„Nachdem auf Scheidung erkannt worden ist, soll der Richter den Versuch machen, die Streitigkeiten, welche über die Absonderung des Vermögens, die Versorgung der Kinder, oder andere Forderungen entstehen, durch Vergleich beizulegen.“ (§ 63)

Paragraph 64 gestand den kirchlichen Ehegerichten das Recht zu, als „Schiedsgericht“ für Scheidungsvergleiche zu fungieren. Der schriftlich abzufassende Scheidungsvergleich konnte, wie Paragraph 64 ebenfalls festhielt, nicht einseitig verändert werden. War ein Eheteil noch minderjährig, so musste der Scheidungsvergleich vom Vater, dem Vormund oder der Vormundschaftsbehörde genehmigt werden.

War das Ehepaar nicht bereit, das kirchliche Ehegericht als „Schiedsgericht“ zu nützen, so musste es die Regelung der Scheidungsfolgen bei den weltlichen Gerichten beantragen. Verfügte die Ehefrau bereits über einen provisorischen Unterhalt, so lag es in der Kompetenz der Ehegerichte, den provisorischen Unterhalt bis zur Entscheidung der weltlichen Gerichte zu verlängern. Verfügte die Ehefrau noch über keinen provisorischen Unterhalt, so konnten die kirchlichen Richter der Ehefrau und allfälligen Kindern den „anständigen Unterhalt“ bis zur Entscheidung des weltlichen Gerichts zuerkennen.

„Sind die Parteien zu einem Vergleiche nicht zu bewegen, so hat er sie zu dem ordentlichen Verfahren anzuweisen, inzwischen aber der Gattin und den Kindern den anständigen Unterhalt auszumessen, oder auch die schon getroffene Bestimmung bis zur Beendigung des Rechtsstreites zu erstrecken.“ (§. 63)


Anweisung für die geistlichen Gerichte des Kaiserthumes Oesterreich in Betreff der Ehesachen
(1856)

Im zweiten Anhang, überschrieben mit „Anweisung für die geistlichen Gerichte des Kaiserthumes Oesterreich in Betreff der Ehesachen“ wird im Paragraph 244  konkretisiert: die kirchlichen Ehegerichte nur dann als „Schiedsgerichte“ fungieren, wenn dies beide Eheteile „einstimmig verlangen“. Weiters wird nochmals vorgeschrieben, dass über den erzielten Scheidungsvergleich eine Urkunde auszustellen und bei minderjährigen Eheteilen die Unterschrift des Vaters oder Vormundes nötig war, damit der Scheidungsvergleich Rechtsgültigkeit erlangte. Zudem wird festgehalten, dass die kirchlichen Ehegerichte verpflichtet sind,  bei der „Fällung des Ausspruches die österreichischen Gesetze zur Richtschnur zu nehmen“.

Bezüglich  der Regelung der Obsorge wurde lediglich im Paragraph 238 der Anweisung vorgeschrieben, dass dem Inhalt des Scheidungsurteils auch beizufügen sei, ob einer der Ehepartner*innen ungeeignet zur Kindererziehung sei.

„[…] Wofern aus den Verhandlungen sich ergibt, daß Vater oder Mutter wegen sittlichen Gebrechen unfähig seien, das denselben zuständige Erziehungsrecht zum Heile der Kinder zu üben, so ist dieser Umstand in das Urtheil aufzunehmen.“ (§ 238)

Während Paragraph 244 von den Ehepaaren des Quellensamples nicht genutzt worden war, fand Paragraph 238 der Anweisung in einigen wenigen Verfahren Anwendung, wie wir im Menüpunkt Qualitative Ergebnisse zeigen.

Andrea Griesebner, Isabella Planer, Dezember 2020

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Zitation: Andrea Griesebner und Isabella Planer, Normen » Einstieg » Scheidungsfolgen » Kirchliche Gerichtsbarkeit (1857–1868), in: Webportal. Ehen vor Gericht 3.0, 2024, <http://ehenvorgericht.univie.ac.at/?page_id=10719>. [Zugriffsdatum: 2024-04-20]