1. Fallbeispiele: Ehefrau ist Klägerin
2. Fallbeispiele: Ehefrau ist Beklagte
Welche Möglichkeiten standen den Ehefrauen zur Verfügung, wenn der ihnen zuerkannte Unterhalt nicht oder nur teilweise bezahlt wurde? Wie die folgenden Bespiele aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zeigen, stand es ihnen offen, die Bezahlung des provisorischen Unterhalts beim Konsistorium einzuklagen. Wie die Beispiele ebenfalls zeigen, nutzten Ehefrauen diese Möglichkeit vor allem dann, wenn sie eine Lohnpfändung des Ehemannes oder auch dessen Verhaftung erreichen wollten. Dazu mussten sie die Konsistorialräte um die Genehmigung eines Compass=Schreibens (Amtshilfeschreiben) an die Dienstgeber der Ehemänner ersuchen. Meist bedurfte es mehrerer Anträge und Tagsatzungen, bis die Konsistorialräte ein Amtshilfeschreiben an die Dienstgeber der Ehemänner schickten.
1. Fallbeispiele – Ehefrau ist Klägerin
Ab April 1659 ersuchte Maria Veronica Scheurinigin in ca. zweiwöchigem Abstand das Konsistorium um die Ausstellung eines Schreibens an die königlich-böhmische Hofkanzlei, damit sie künftig den ihr zugesprochenen wöchentlichen Unterhalt direkt von der Besoldung ihres Ehemannes beziehen könne. Wie im Unterpunkt „qualitative Ergebnisse“ beschrieben, hatten ihr die Konsistorialräte im März 1659 einen provisorischen Unterhalt von 182 Gulden zugesprochen, dessen Bezahlung der Ehemann verweigerte. In einem ersten Schritt luden die Konsistorialräte beide Eheteile zu einer Verhandlung vor das Konsistorium. Bei der Tagsatzung am 29. April 1659 begründete Johann Scheuring, warum er nicht bereit sei, den provisorischen Unterhalt zu bezahlen: Erstens habe er die Appellation gegen das Urteil angemeldet. Zweites verfüge er nur über 230 Gulden Besoldung, der vom Konsistorium festgelegte Unterhalt entspreche dem, „alß wan er 1500 gulden jahrlich einkommen hette“. Maria Veronica hielt dagegen, beweisen zu können, dass er weiteres Vermögen besitze.
Nachdem Johann Scheuring den provisorischen Unterhalt nur teilweise bezahlte, richteten im September 1659 die Konsistorialräte schließlich das von Maria Veronica vielfach geforderte Schreiben um Amtshilfe an die königlich-böhmischen Hofkanzlei.
Wie argumentierte das Konsistorium seine Bitte um Amtshilfe? Einleitend führten die Konsistorialräte an, dass es „vast stattkündig“ (fast stadtbekannt) sei, dass sich das Ehepaar in einen „widerwertigen“ Ehestreit befinde. Obwohl der Ehemann seit März 1659 seiner Ehefrau wöchentlich 3 Gulden 30 Kreuzer an Unterhalt zu zahlen verpflichtet sei, habe er ihr bislang nur 30 Gulden bezahlt. Johann Scheuring würde die Anordnungen des Konsistoriums „in wündt schlagen“, obwohl jeder Ehemann bis zur Entscheidung des Eheverfahrens
„seinem eheweib die gebührende lebens mitl, ia gar die litis expens [Prozesskosten] zuraichen schuldig ist“, indem man die „eheweiber weder rechtlooß noch gar verderben lassen khann“. (DAW WP 20_625)
Das Konsistorium habe deshalb den Antrag der Ehefrau bewilligt und ersuche darum, dem Ehemann seine Besoldung solange nicht auszubezahlen, bis er den ausständigen Unterhalt bezahlt hatte. Gleichzeitig bat das Konsistorium die böhmische Hofkanzlei auch, künftig der Ehefrau aus seiner Besoldung wöchentlich 3 Gulden 30 Kreuzer direkt ausfolgen zu lassen:
„sie geruhen besagten herrn Scheuring von seiner verfallenen und hinfüro verfallenden besoldung und miteln nichts hinaußvolgen zulassen, biß daß er sich mit seiner haußfrau der anerwachsenen schuldigen alimentation halber verglichen, und den ausstand erstattet haben wirdt. Auch hinfüro biß auf weittere verordnung wochentlich 3 gulden 30 kreuzer an besagten mitln innen zu behalten, und ihr Scheuringin gegen quittung ervolgen zulassen. Solches geschieht in subsidium juris et iustitiae [zur Unterstützung des Rechts und der Gerechtigkeit] gar billich und von rechts wegen beederseits, unß göttlicher allmacht empfehlend. Ex consistorio 12. septembris 1659.“ (DAW WP 20_625)
Ob die böhmische Hofkanzlei der Bitte des Konsistoriums nachkam, wissen wir nicht. Veronica verstarb am 29. September 1659 im Alter von 39 Jahren. Im Totenbeschauprotokoll ist keine Todesursache eingetragen.
Auch Rosina Weissin bewilligte das Konsistorium im Juni 1670 ein Amtshilfeschreiben. In ihrem Fall war es ein Rundschreiben an alle weltlichen und geistlichen Obrigkeiten mit dem Ersuchen, Georg Weiss, Wundarzt für Augen und Leistenbrüche, zu verhaften. Rosina war vom Konsistorium im Jänner 1670 ein provisorischer Unterhalt in der Höhe von 52 Gulden jährlich zuerkannt worden. Sie hatte, begründet mit Ehebruch und physischer Gewalt, die Trennung von Tisch und Bett gefordert und das Recht erhalten, Beweise dafür vorzubringen. Entgegen der Auflage, Wien nicht zu verlassen, hatte sich der Ehemann offenbar nach Bayern begeben, wo er – möglicherweise aufgrund des offenen Rundschreibens – verhaftet wurde. Wie spätere Einträge zu diesem Ehepaar zeigen, schloss das Ehepaar vor dem bayrischen Konsistorium einen Vergleich, der in den Protokollen des Wiener Konsistoriums nicht näher ausgeführt wird.
Auch Ehefrauen, denen die Konsistorialräte zwar einen Unterhaltstitel während des Verfahrens zuerkannt hatten, dessen Höhe allerdings nur sehr unbestimmt mit „anständig“ bzw. „gebührend“ umschrieben hatten, wandten sich mit ihren Exekutionsanträgen an das Konsistorium.
Nach mehreren Klagen von Sabina Contartinin, dass ihr Ehemann seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkomme, genehmigten die Konsistorialräte im April 1657 ein Amtsschreiben an den Obersthofmarschall. Sabina war im März 1657 ein Unterhaltstitel zuerkannt worden, der ihren Ehemann, den kaiserliche Sesselträger Dominik Contartin, verpflichtete, ihr während des Prozesses „die gebührende Unterhaltung“ zu leisten. Sie hatte in ihrer Klage vom Februar 1657 gefordert, dass ihr Ehemann entweder das Eheleben wieder aufnehme, oder ihr die Mitgift zurückgeben solle. In ihrem Fall bat das Konsistorium den Obersthofmarschall dafür Sorge zu tragen, dass der Ehemann „seinem weib, der Sabina, die gebührendt und schuldige unterhaltung raichen solle.“
Ob und wie der Obersthofmarschall dieser Bitte nachkam, wissen wir nicht. Bei der Tagsatzung im August 1657 einigte sich das Ehepaar, künftig unter folgenden Bedingungen das eheliche Leben wieder aufzunehmen:
„Nach einiger Vermittlung wurden sie wie folgt verglichen: der Ehemann hat dem ehrwürdigen Herrn Offizial in die hand versprochen, sie gut zu behandeln, sie hat versprochen den gebührenden Gehorsam zu leisten, sie haben sich gegenseitig die Hände gegeben und wurden sodann entlassen.“ (DAW WP 20_199)
Magdalena Humblin erreichte im November 1658 ein Amtshilfeschreiben an den Kommandanten der Stadguardia. Sie hatte im Oktober 1658 ihren Ehemann, den Stadtguardi-Soldaten Magnus Humbl geklagt und die Trennung von Tisch und Bett wegen andauernder Gewalttätigkeit verlangt. Auch ihr war während des Beweisverfahrens die „gebührliche alimentation“ zuerkannt worden. Nachdem Magnus Humbl sich mehrfach weigerte, seiner Ehefrau den provisorischen Unterhalt zu bezahlen, ersuchte das Konsistorium den Kommandanten der Stadtguardia,
„dem beklagten Magnus Humbl durch nicht ervolglaßung seines wochentlichen comissbrodts und monathlichen besoldung, alles ernst dahin anzuhalten, daß er ihr klägerin ihre leibßklayder und bettgewandt alsobaldt ervolgen laßen und die gebührende alimentation biß auff weittere verordtnung schuldiger maßen laisten und reichen solle.“
Apollonia Vicedombin, geborene Millnerin, verwittwete Lindthueberin fand mit ihrem Ansuchen, die kaiserliche Hofkammer um die Sperre der Besoldung ihres Ehemannes, Rechendiener in der niederösterreichischen Buchhalterei, zu bitten, die Unterstützung durch die Konsistorialräte. Im März 1657 war auch ihr für die Dauer des Verfahrens in der Hauptsache provisorischer Unterhalt zuerkannt worden. Apollonia hatte Caspar Vicedomb, mit welchem sie seit November 1655 verheiratet war, im Februar 1657 geklagt. Sie wollte nicht die Trennung oder Scheidung, sondern ersuchte die Konsistorialräte um Auflagen für das weitere eheliche Zusammenleben. Nachdem Caspar Vicedomb sich bei der Tagsatzung im März 1657 weigerte, Bedingungen für ein künftiges gewaltfreies Zusammenleben einzugehen, hatten die Konsistorialräte entschieden, dass das Ehepaar entweder friedlich miteinander lebe, oder aber ein Eheteil in einem ordentlichen Verfahren Beweise vorlege, warum er oder sie dazu nicht verpflichtet wäre. Für die Dauer eines allfälligen Verfahrens hatten die Konsistorialräte Apollonia einen provisorischen Unterhalt zuerkannt. Auch in ihrem Fall wissen wir nicht die Höhe des Unterhalts, indem das Konsistorium im April 1657 die Kaiserliche Hofkammer ersuchte:
„daß von mehrbesagten Vicedombs besoldung der supplicantin, so lang der process wehrtt, die gebührende unterhaltung geraicht werde, ehendter aber dem Vicedomb nichts ervolgen zue laßen.“ (DAW WP 20_148)
Nur einen Monat später, nachdem Caspar Vicedomb insgesamt 19 Behauptungssätze beim Konsistorium eingereicht und Apollonia in extenso darauf geantwortet hatte, vereinbarte auch dieses Ehepaar einen Cohabitierungsvergleich, der ebenfalls in den Protokollen des Konsistoriums eingetragen ist: Überschrieben mit „Puncta ueber welche Caspar Vicedomb mitt seiner ehefrawen Apolloniam den 4. maij 1657 consitorialiter verglichen [wurde]“ ging das Ehepaar nachstehenden Vergleich ein:
Will Vicedomb sich wegen der kost mitt dem Schmidt nach billichen dingen vergleichen. 2. in aufrichtung eines heyraths brieffs willigen beede thaill. 3. beeder seiths sollen sie sich aller verdächtigen persohnen, […] üblen argwohns und eyffersucht, imgleichen aller real und verbal injurien enthalten und hinführo ainig und redtlich, wie eß cohnlichen gebührt, cohabitiren. 4. sie Apollonia will alles, waß sie etwan mitt ihr genommen, widerumb haimb bringen, deßgleichen soll auch der mann thuen. 5. die muetter soll die khinder dahin anhalten, daß sie den stieffvatter, wie eß sich gebührt, ehren und in billichen dingen gehorsam seyen, hingegen er sie auch, wie eß sich gebührt, tractiren will. 6. wann ein oder anderer thaill sich wider diese puncta vergreiffen würde, soll iedem die klag oder proceß, wie selber anietzo stehet, forthzuführen bevorstehen. Hierueber beede thaill zuesammen getretten, haben ein andern die handt gegeben, und hinc inde remittirt, auch dem herrn officiali disem nach zue leben angelobt, und mitt einander haimb gangen.“ (DAW WP 20_157-158)
Im zitierten Vergleich versprach Caspar Vicedomb, dass er die Schulden, welche Apollonia während des Verfahrens gemacht hatte, bezahlen und er künftig seine Stiefkinder gebührend behandeln werde. Apollonia versprach im Gegenzug, ihre Kinder dazu anzuhalten, den Stiefvater zu ehren und ihm zu gehorchen und die Gegenstände, die sie aus der ehelichen Wohnung entfernt hatte, zu restituieren. Beide Eheteile vereinbarten zudem, einen Ehekontrakt zu schließen, sich eines „verdächtigen“ Umgangs sowie physischer und verbaler Gewalt zu enthalten und einig und redlich zusammen zu leben. Unter Punkt sechs hielt der Vergleich fest, dass im Falle, dass ein Eheteil gegen diese Vereinbarung verstieß, der andere Eheteil das Recht hatte, den Prozess wieder aufzunehmen.
Nur wenige Monate nach diesem Vergleich, im November 1657 vermerken die Kosistorialprotokolle, dass Caspar Vicedomb sich über physische Gewalt beschwert hatte und Apollonia aufgetragen worden war, „sich aller gewaltthättigkheit und ungebührlicher tractation (=Behandlung) zu enthalten. Mit dem Eintrag vom 22. Dezember 1657, wo das Ehepaar erneut zu einer Tagsatzung am 4. Jänner 1658 vorgeladen wurde, verlieren sich die Spuren zum Ehepaar in den Protokollbüchern. Am 10. Mai 1658 wurde ihr Sohn Georg in der Pfarre St. Stephan getauft, als Vater ist der Ehemann eingetragen.
Neben Amtshilfeschreiben forderten Ehefrau die Konsistorialräte auch immer wieder auf, die Ehemänner so lange in den Kirchenarrest zu nehmen, bis diese sich bereit erklärten, ihren ausständigen Unterhalt zu bezahlen. Dass sie diesen Anträgen zeitweise auch nachkamen, belegt das nächste Fallbeispiel.
Im Juni 1681 verbrachte der Jurist und Auditeur (=Militärjurist) Johann Nicolaus Flamitzer zumindest 12 Tage im Kirchenarrest, aus dem er erst entlassen wurde, nachdem er am 25. Juni 1681 den Eid leistete, erstens seiner Ehefrau sowohl die schuldigen Alimentationsgelder in der Höhe von 106 Gulden wie auch die Gerichtskosten bis zum 24. August zu bezahlen und zweitens, er sich nicht aus Wien entfernen und sich jederzeit dem Konsistorium stellen werde:
“Ich Johann Nicolaus Flamitzer schwöre hiermit einen aydt zu gott und allen heyligen, daß ich die jenige rückhständige allimenationsgelder, so biß auf den 27. July instehenden jahres 106 gulden neben denen gerichtlich zuerkannten expensen außtragen und Catharinam Flamitzerin an mich [unleserlich] zu fordern hat, wegen ermangenten gelts und anderer mittl anjezo nit abstatten noch derentwegen pfänder oder bürgschaft aufbringen khann, derentwegen aber mit denen eheisten (=ehesten) mir fallenden mitteln, lengstens auf negst zukhünftigen barholomeitag (=24. August) sie Catharina Flamitzer contentieren, inmittels von Wien mich nit endtfehrnen, sondern auf eine jedweder citation oder gerichtliches begehren mich vor dem venerabile consistorio Passau unwaigerlich und ohne ainzige exception ausser gottes gewaldt stöllen, auch der erkhandtnus nachleben wolle.”
Das Ehepaar lebte zu diesem Zeitpunkt seit nahezu 10 Jahren getrennt. Nach knapp vierjähriger Ehe hatte Johann Nicolaus Flamitzer, damals noch Student der Rechtswissenschaften, im Jänner 1670 die Scheidung von seiner Ehefrau Catharina, verwitwete Hözingerin, beantragt, da diese sich bereits zum dritten Mal mit Gewalt der „ehelichen Beywohnung“ entzogen habe. Sollte seinem Scheidungsbegehren stattgegeben werden, so sein Angebot an die Konsistorialräte, wäre er bereit, in den Stand eines Geistlichen zu wechseln. Die Konsistorialräte schieden die Ehe nicht, sondern verurteilten ihn zur Cohabitierung.
Knapp zwei Jahre später, am 23. Dezember 1671, ersuchte Catharina Flamitzerin das Konsistorium, ihrem Ehemann, der sie „großen leibs“ verlassen habe, „die eheliche beywohnung bey straff aufzulegen.“ Bei der Tagsatzung am 10. Februar 1672 widersprach Johann Nicolaus Flamitzer, nun als Magister geführt, der Klage seiner Ehefrau und verlangte, dass sie den Beweis antrete, dass er der Vater des Ungeborenen sei. Die Konsistorialräte entschieden in seinem Sinne und trugen Catharina Flamitzerin auf, diesen Beweis zu erbringen. Für die Zeit des Beweisverfahrens genehmigten sie ihr provisorischen Unterhalt. Konkret bestimmten sie, dass Johann Nicolaus Flamitzer seiner Ehefrau beginnend mit dem Tag der Tagsatzung bis einschließlich sechs Wochen nach der Niederkunft wöchentlich drei, danach wöchentlich einen Gulden Unterhalt bezahlen müsse.
Wie viele Einträge in den Konsistorialprotokolle belegen, zahlte Nicolaus Flamitzer den Unterhalt meist erst dann, wenn das Konsistorium den Arrest nicht nur androhte, sondern auch anordnete. So deponierte er etwa am 28. Februar 1674 20 Gulden beim Konsistorium, nachdem Catharina Flamitzerin seit Herbst 1673 immer wieder seine Verhaftung gefordert hatte, da er ihr seit August 1673 „den wöchentlichen Gulden schuldig“ war.
Am 30. Mai 1674 bat Catharina Flamitzer erneut um Personalarrest, welchen das Konsistorium unter der Bedingung “sofern nichts einkommen”, sprich der Ehemann in der Zwischenzeit nicht bezahlt hatte, genehmigte. Nachdem Nicolaus Flamitzer diese Zahlungsaufforderung ignorierte, erwirkte Catharina Flamitzer am 4. Juli 1674 die Ausstellung eines Amtshilfeschreibens an den Stadtrat von St. Pölten, damit dieser ihren Ehemann verhafte und an das Konsistorium überstelle. Nikolaus Flamitzer verweigerte weiterhin die Bezahlung des rückständigen Unterhalts, entschied sich aber, sicherheitshalber seinen Wohnort zu wechseln. Am 17. August 1674 berichtete der Stadtrat von St. Pölten, dass sie Johann Nicolaus Flamitzer nicht verhaften konnten, da dieser von St. Pölten „weggezogen sei“ und folglich nicht mehr in seinem Jurisdiktionsbereich lebe.
Aus einem Eintrag vom 11. August 1677 erfahren wir, das Johann Nicolaus Flamitzer, mittlerweile als Auditeur beim Passauerischen Regiment beschäftigt, dem Anwalt seiner Ehefrau neben den Unterhaltsschulden auch eine Unterhaltsvorauszahlung bis zum 3. Juni 1678 „paar erlegt und bezahlt habe“. Er bat das Konsistorium um eine Tagsatzung zur genauen Abrechnung der Unterhaltszahlungen und der Gerichtskosten, zu welcher er allerdings trotz mehrfacher Vorladungen nicht erschien.
Am 4. Juni 1681 informiert Catharina Flamitzer das Konsistorium, dass ihr Ehemann sich schon vor längerer Zeit aus
"dem staub gemacht und flüchtigen fueß gesetzt, und sie herentwegen samt einen bey sich habenden sohn in größter noth verlassen" habe.
Da er nun wieder in Wien wäre, bat sie das Konsistorium, diesen mit Hilfe des Wiener Rumormeisters zu verhaften und in den Passauerhof zu bringen. Bei der Tagsatzung am 13. Juni 1681 forderte Nicolaus Flamitzer ein Urteil im Beweisverfahren (zur Vaterschaft), welches seine Ehefrau seit fast 10 Jahren führte. Ob er sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Konsistorialarrest befand oder er erst bei der Tagsatzung verhaftet worden war, lässt sich aufgrund der kurzen Einträge nicht entscheiden. Die Konsistorialräte trugen Catharina Flamitzerin auf, das Beweisverfahren innerhalb von 30 Tagen fortzusetzen. Am 18. Juni 1681 bat Nicolaus Flamitzer gegen Kaution aus dem Arrest entlassen zu werden, wogegen die Ehefrau bzw. ihr Anwalt protestierten. Am 25. Juni wurde er, nachdem er oben zitierten Eid abgelegt hatte, auf freien Fuß gesetzt.
2. Fallbeispiele – Ehefrau ist Beklagte
Wie das letzte Fallbespiel zeigt, genehmigten die Konsistorialräte die Amtshilfeschreiben an die weltliche Obrigkeit auch in Fällen, in denen nicht die Ehemänner, sondern die Ehefrauen die Beklagten im Hauptverfahren waren. Wie im Unterpunkt „qualitative Ergebnisse“ ausgeführt, hatte Martin Ziegler im Februar 1660 die Scheidung von Regina beantragt und seine Forderung mit Ehebruch begründet. Das Ehepaar Ziegler*in hatte sich im Oktober 1660 auf 78 Gulden jährlichen Unterhalt geeinigt und Martin Ziegler versprochen, die Unterhaltszahlungen von seiner jährlichen Besoldung von 200 Gulden jeweils vierteljährlich im Voraus zu leisten. Nach mehreren Exekutionsanträgen des ausständigen provisorischen Unterhalts richteten die Konsistorialräte im Dezember 1663 ein Schreiben um Amtshilfe, in diesem Fall an die Hofkammerdirektion. Das Konsistorium ersuchte die Hofkammerdirektion, von der jährlichen Besoldung Martin Zieglers der Ehefrau 24 Gulden auszubezahlen. Zugleich hatte das Konsistorium auch ein Eigeninteresse. Es bat die Hofkammerdirektion darum, dem Konsistorium 50 Gulden und 11 Kreuzer für schuldige Kanzleigebühren zu bezahlen, welche
„von anno 1661 inclusivè bis hirher zu beeden theillen auff 50 gulden 11 kreuzer anerwachßen [sind].“ (DAW WP 22_317v )
Ein Amtshilfeersuchen des Konsistoriums an die weltliche Obrigkeit bedeutete nicht immer, dass die weltliche Obrigkeit den Bitten nachkam, wie sich aus einem weiteren Amtshilfeschreiben, diesmal adressiert an den Obersthofmarschall, erschließen läßt. Das Konsistorium berichtete dem Obersthofmarschall, dass sich die Ehefrau von Martin Ziegler mehrfach beklagte, dass Martin Ziegler aus Wien abgereist wäre, ohne seine Unterhaltsschulden zu begleichen. Auch habe ihr das Salzamt, trotz des Ersuchsschreibens der Hofkammerdirektion, keinen Kreuzer von der Besoldung ihres Ehemannes ausbezahlt. Regina Zieglerin wisse daher nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten solle. Die Konsistorialräte baten den Obersthofmarschall daher, Martin Ziegler so lange in den Personalarrest zu nehmen, bis er seiner Ehefrau den ausständigen Unterhalt bezahlt und eine Bürgschaft für den künftigen Unterhalt vorgewiesen habe. Zusätzlich ersuchten sie den Obersthofmarschall, aus dem versperrten Quartier von Martin Ziegler soviele „effecten“ zu pfänden, wie sein
„ruckhstandt und zuerkhendte vorhineingaab auf ein viertl jahr, so sich auf etlich und dreyssig guldten belauffen werde“, ausmache. (DAW WP 22_330v)
Ob die Pfändung durchgeführt wurde, ist nicht vermerkt. Aus weiteren Einträgen zu den Exekutionsanträgen der Ehefrau erfahren wir allerdings, dass das Oberhofmarschallgericht eine Pfändung der Besoldung des Ehemannes vorgenommen hatte. Am 18. Mai 1665 erklärte Regina Zieglerin, die „Sperre“ seiner Besoldung bei der auszahlenden Stelle, dem Salzamt, aufzuheben, nachdem Martin Ziegler ihr bar 30 Gulden überreicht, 10 Gulden bei der Kanzlei deponiert und versprochen hatte, den vereinbarten wöchentlichen Reichstaler künftig immer samstags im Vorhinein zu bezahlen. Auch an dieses Versprechen hielt er sich nicht lange, wie weitere Exekutionsanträge der Ehefrau zeigen. Am 17. Jänner 1667 forderte Regina Zieglerin zum wiederholten Male, dass ihr Ehemann wegen Unterhaltsschulden in den Arrest genommen werde. Ein halbes Jahr später, im August 1677 entschied das Konsistorium im Scheidungsverfahren. Die Konsistorialräte erachteten den Ehebruch von Regina Zieglerin als erwiesen. Sie schieden die Ehe von Tisch und Bett und „befreiten“ Martin Ziegler von seiner Unterhaltspflicht.
Andrea Griesebner und Susanne Hehenberger, November 2020