Folgeverfahren

1. Folgeverfahren nach einem Toleranzurteil
2. Folgeverfahren nach einem Cohabitierungsurteil
3. Toleranzurteile
4. Fallbeispiel: Magdalena und Adalbert Hadaun*in (1770–1781)

1. Folgeverfahren nach einem Toleranzurteil

Tabelle 1: Folgeverfahren nach Toleranzurteil | Frauen | Männer

Wie Tabelle 1 zeigt, sind in den untersuchten Zeitsegmenten 112 Verfahren überliefert, die an ein Toleranzurteil im Hauptverfahren anschlossen. In knapp über der Hälfte dieser Verfahren ersuchte die klagende Ehepartei das Gericht, dem Ehepartner (in 27 Verfahren) bzw. der Ehepartnerin (in 33 Verfahren) die Wiederaufnahme der Cohabitierung aufzutragen. Während sich bei den Klagen zur Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens die Verfahren von Ehefrauen und Ehemänner annähernd die Waage halten, wurden, wie Tabelle 1 ebenfalls zeigt, die Anträge auf eine Verlängerung der Toleranz mehrheitlich von Frauen gestellt (26 von Frauen, 8 von Männern).
In 13 Verfahren verlangte ein Eheteil Auflagen an den Ehepartner/die Ehepartnerin während der Zeit der Toleranz, also während des Zeitraums, in welchen der Ehepartner/die Ehepartnerin getrennt leben durfte. Anliegen der Ehefrauen war es meist, Schutz vor physischer und psychischer Gewalt durch die Ehemänner zu erhalten. Das Klageinteresse der Ehemänner bezog sich dagegen in aller Regel darauf, den getrennt lebenden Ehefrauen Auflagen bezüglich ihres Wohnortes während der Toleranz zu machen.

Tabelle 2: Urteil | Klageinteresse im Folgeverfahren

Tabelle 2 enthält alle Urteile, die in den Folgeverfahren mit den Klageinteressen A, B, C und D gefällt worden waren. Die im Vergleich zu Tabelle 1 etwas höhere Anzahl an Verfahren erklärt sich dadurch, dass Tabelle 2 auch sieben Folgeverfahren enthält, welche nicht an ein Toleranzurteil im Hauptverfahren, sondern an ein Toleranzurteil im Folgeverfahren anschlossen. Zur Komplexität der Verkettungen der Verfahren siehe weiter unten das Fallbeispiel zum Ehepaar Hadaun*in.
Wie Tabelle 2 verdeutlicht, waren die Chancen, im Folgeverfahren eine Verlängerung der Toleranz zu erhalten, relativ hoch. In knapp zwei Drittel der Folgeverfahren zur Verlängerung der Toleranz (21 von 34) gewährten die Konsistorialräte eine Verlängerung zwischen 6 Monaten und einem Jahr. In einem Fall befristete das Konsistorium den Zeitraum auf die Dauer des Zivilprozesses, welchen der Vater der Ehefrau gegen seinen Schwiegersohn führte.

Anton Ebner, ein bürgerlicher Kammmacher, hatte sich im Mai 1772 an das Wiener Konsistorium gewandt. Er zeigte an, dass seine Ehefrau entgegen dem Urteil vom 8. April 1771, welches ihr die friedlichen Cohabitierung aufgetragen und den weiteren Umgang mit dem Friseur Sticker verboten hatte, weder den Friseur meide noch mit ihm lebe, sondern ihre Eltern ihr „Unterschleif“ gewähren würden. Josepha Ebnerin, verwitwete Wächterin, bestritt bei der Tagsatzung am 9. Mai 1772 nicht, bei ihren Eltern zu leben. Sie argumentierte, dass sie auftragsgemäß mit ihrem Ehemann zu leben versucht hatte, er sie aber neuerlich „geschlagen und gebissen“ hätte und sie überall als eine „Hure“ verleumde. Statt der vom Ehemann beantragten neuerlichen Verurteilung zum Zusammenleben hatten die Konsistorialräte Josepha Ebnerin eine auf sechs Monate befristete Trennung von Tisch und Bett genehmigt. Nach Ablauf der sechsmonatigen Toleranz ersuchte Josepha Ebnerin um deren Verlängerung, da sich, so ihre Argumentation, ihr Mann nicht „gebessert“ habe und zudem einen Rechtsstreit mit ihrem Vater führe. Obwohl Anton Ebner erneut auf der Cohabitierung bestand, genehmigten die Konsistorialräte Josepha Ebnerin in der Tagsatzung vom 20. November 1772 eine Toleranz bis zur Entscheidung des Zivilprozesses zwischen ihrem Ehemann und ihrem Vater.

Auch in knapp mehr als einem Drittel (38,3 %) der Verfahren zur Wiederaufnahme der Cohabitierung (23 von 60) ordneten die Konsistorialräte nicht das eheliche Zusammenleben an, sondern gewährten der beklagten Ehepartei eine zeitlich befristete Toleranz, in vier Fällen sogar eine unbefristete Toleranz, sprich sie schieden die Ehe von Tisch und Bett unbegrenzt.

2. Folgeverfahren nach einem Cohabitierungsurteil

Tabelle 3: Folgeverfahren nach Cohabitationsurteil | Frauen | Männer

Wie Tabelle 3 veranschaulicht, spielten diese Folgeverfahren in allen untersuchten Zeitsegmenten keine statistisch relevante Rolle. Inhaltlich sind sie aber deshalb spannend, weil in diesen Verfahren meist die Frage verhandelt wurde, ob Ehemänner auch dann für die Ehefrau und die Kinder unterhaltspflichtig seien, wenn diese nicht mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebten.

Tabelle 4: Urteil | Klageinteresse im Folgeverfahren

Tabelle 4 zeigt, dass in fast der Hälfte dieser Verfahren die Konsistorialräte das Ansinnen der Eheteile ablehnten und sie neuerlich zur friedlichen Cohabitierung aufforderten.

3. Toleranzurteile

Die Bedeutung der Folgeverfahren wird vor allem dann sichtbar, wenn wir sie in Relation zu den Toleranzurteilen setzen, welche die Konsistorialräte im Hauptverfahren entschieden hatten.

Tabelle 5: Untersuchte Zeitsegmente | Toleranzurteile

Wie Tabelle 5 deutlich macht, gewährten die Konsistorialräte in 192 (10,9 %) von 1.760 Hauptverfahren und in 46 (32,6 %) von 140 Folgeverfahren eine Toleranz, sprich sie erlaubten einem Eheteil für eine begrenzte oder unbegrenzte Zeit von Tisch und Bett getrennt zu leben. Bei der quantitativen Auswertung der Folgeverfahren (FV) gilt es zu bedenken, dass die im Verfahren in der Hauptsache gewährte Toleranz teilweise erst zu einem Zeitpunkt endete, welcher außerhalb der untersuchten Zeitsegmente liegt, ein allfälliges Folgeverfahren daher nicht mehr Teil unseres Samples ist. Auch können wir keine Aussage darüber machen, wie viele Ehepaare nach Ablauf der Zeit der Toleranz das eheliche Leben wieder aufnahmen. Waren beide Eheteile einverstanden, Tisch und Bett nicht mehr zu teilen, so war – solange sie nicht etwa vom Pfarrer angezeigt wurden –, keine Notwendigkeit vorhanden, ein Folgeverfahren einzureichen. Auch diese Ehepaare bleiben unserem Blick entzogen.

Wie komplex die Verkettung der Verfahren sein konnte, lässt sich besonders plastisch am Ehestreit von Magdalena und Adalbert Hadaun*in darstellen, der im Folgenden analysiert wird.

4. Fallbeispiel: Magdalena und Adalbert Hadaun*in (17701781)

Im Mai 1771 beantragte Magdalena Hadaunin beim Wiener Konsistorium die Scheidung, die sie vor allem damit begründete, dass ihr Ehemann sie in ihrer knapp einjährigen Ehe mit seiner unbegründeten Eifersucht verfolge und sie auch „erbärmlich“ schlage. Die physische Gewalt belegte sie mit einem ärztlichen Attest. Adalbert Hadaun widersprach bei der Tagsatzung am 14. Juni 1771 der Eifersucht und legitimierte die der Ehefrau zugefügten Schläge damit, dass diese mit zwei Männern in einem Zimmer übernachtet hätte und ihn zudem zu ermorden drohte. Magdalena widersprach beiden Anschuldigungen und führte aus, dass nicht zwei Männer, sondern ihre Dienstmagd bei ihr geschlafen habe, was diese auch bezeugen könne. Unter der Bedingung, dass seine Ehefrau „an ein ort gegeben werde, wo sie zur besserung angehalten wird“, erklärte sich Adalbert Hadaun mit einer befristeten Trennung und einer Unterhaltszahlung einverstanden. Die Konsistorialräte gewährten Magdalena Hadaunin eine Toleranz von einem Jahr.

Wie die Trauungsbücher von St. Stephan belegen, hatte das Ehepaar am 22. Juli 1770 geheiratet. Magdalena, die eheliche Tochter von Maria Anna und Bernhard Hofer*in, die ihren Lebensunterhalt mit dem Handel von Leinwand verdienten, war bei der Eheschließung 26 Jahre alt. Von Adalbert Hadaun erfahren wir nur, dass er verwitwet und von Beruf ein k. k. bürgerlicher Oberwagnermeister war. Aus dem Sterbeeintrag in den Matriken der Wiener Pfarre St. Karl Borromäus (Wieden), der seinen Tod am 17. November 1787 vermerkt und als sein Alter 79 Jahre angibt, lässt sich errechnen, dass Adalbert Hadaun bei der Hochzeit mit Magdalena bereits mehr als 60 Jahre zählte und damit um rund 35 Jahre älter als Magdalena war. Aus den Taufbüchern von St. Stephan (Innere Stadt) erfahren wir zudem, dass es zumindest seine dritte Ehe war. Wann er und seine vermutlich erste Ehefrau Catharina, geborene Krenin, geheiratet hatten, konnten wir nicht recherchieren. Belegt ist im Taufbuch von St. Stephan allerdings, dass das Ehepaar am 24. Juli 1738 ihr vermutlich erstes Kind, die Tochter Anna Catharina taufen ließen. Das Ehepaar hatte zumindest weitere fünf Kinder, deren Taufen in den Matriken von St. Stephan registriert sind. Die Hochzeit ihres Sohnes Ignaz am 15. Juni 1783 ist in den Heiratsmatriken der Pfarrkirche St. Stephan eingetragen.

Nach dem Tod von Catharina heirateten Adalbert Hadaun und Katharina, geborene Spittlin, deren Tod am 2. Juli 1766 in den Sterbematriken von St. Stephan vermerkt ist. Sollte Adalbert Hadaun zwischen dem Tod von Katharina im Sommer 1766 und der Hochzeit mit Magdalena im Sommer 1770 nicht nochmals geheiratet haben, war die Ehe mit der 26-jährigen Magdalena zumindest seine dritte Ehe.

Im August 1771, nicht einmal zwei Monate, nachdem die Wiener Konsistorialräte Magdalena Hadaunin erlaubt hatten, ein Jahr getrennt vom Ehemann zu leben, beantragte sie die „Wiederaufnahme der Cohabitierung“ und begründete ihren Antrag mit ihrer Schwangerschaft. Mit dem Argument, dass nicht er, sondern seine Ehefrau die auf ein Jahr befristete Trennung erwirkt habe, und er sich auch nicht vorstellen könne, der Vater des Ungeborenen zu sein, lehnte Adalbert Hadaun bei der Tagsatzung am 7. September 1771 die vorzeitige Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens ab. Die Konsistorialräte entschieden in seinem Sinne und bestätigten die Toleranz.

Am 26. Juni 1772 verhandelte das Wiener Konsistorium erneut den Fall des Ehepaares. Magdalena Hadaunin hatte die Wiederaufnahme der Cohabitierung eingeklagt, da die Zeit der Toleranz am 14. Juni 1772 geendet hatte. Zudem habe sie in der Zwischenzeit das gemeinsame Kind zur Welt gebracht. Adalbert Hadaun bestritt diesmal nicht, Vater des Kindes zu sein, verweigerte allerdings erneut die Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens. Seine Ablehnung begründete er damit, dass seine Ehefrau einen liederlichen Lebenswandel führe, ihm mit der Ermordung drohe und eine solche auch deshalb „leicht geschehen könne […], weil er ein alter, vom schlag berührter mann wär“. Er erklärte sich bereit, Magdalena und dem Kind Unterhalt zu zahlen. Die Konsistorialräte lehnten den Antrag der Ehefrau neuerlich ab und gewährten nun dem Ehemann eine Toleranz von einem Jahr. Bemerkenswerterweise trugen sie im Urteil der Ehefrau nicht nur auf, sich während dieser Zeit anständig zu benehmen, sondern auch, „sich aller gewaltthätigkeiten gegen den beklagten zu enthalten“, eine Formulierung, die sie sonst meist nur für Männer wählten.

Im Dezember 1773 beantragte Magdalena Hadaunin zum dritten Mal die Wiederaufnahme der Cohabitierung, welche der Ehemann auch diesmal ablehnte. Wie das Protokoll der Tagsatzung vom 25. Dezember 1773 vermerkt, wolle er lieber sterben als mit Magdalena Tisch und Bett teilen:

„sie sey ein unbändiger teufel und unmöglich mit ihr zu leben, sie habe ihm zum öftern nach dem leben gestrebet, er würde sich ehender den tod anthun, als ihr cohabitiren."

Diesmal entschieden die Konsistorialräte nicht bereits im summarischen Verfahren, sondern fällten ein bedingtes Endurteil, welches dem Ehemann entweder die friedliche Cohabitierung oder aber den Antritt eines Beweisverfahrens vorschrieb, in welchem er legitime Gründe vorbringen sollte, warum er mit Magdalena nicht leben könne. Wie üblich erhielt Magdalena das Recht auf Gegenweisung.

Adalbert Hadaun trat das Beweisverfahren zur Scheidung von Tisch und Bett an. Nach knapp einem halben Jahr einigte sich das Ehepaar allerdings auf einen Vergleich, der mit Datum vom 15. Juli 1774 in das Konsistorialprotokoll aufgenommen wurde. Der Ehemann verpflichtete sich erstens, seiner Ehefrau „anständig zu begegnen, ihr die nöthige unterhaltung und standesmässige kleydung abzureichen“, zweitens ihr die ausgelegten Gerichtskosten in der Höhe von 110 Gulden innerhalb von 14 Tagen zu ersetzen, drittens bis Jacobi (25. Juli) für das Ehepaar und das Kind eine neue Wohnung zu suchen, viertens das gemeinsame Kind zumindest bis zum dritten Lebensjahr im Haus zu behalten, danach an einem geeigneten Versorgungsort unterzubringen. Im Gegenzug verpflichtete sich Magdalena Hadaunin, ihrem Ehemann erstens weder verbale noch physische Gewalt zuzufügen, zweitens ohne sein Vorwissen nicht „auszulaufen“, drittens sich allen Umgangs zu enthalten, welchen er als „unanständig“ befinde, viertens sich gegenüber dem Ehemann „friedlich, anständig, mit behöriger treue und liebe zu betragen“, fünftens ihm „in billigen sachen allen gehorsam zu leisten, ihm nicht zu wider zu handeln“, sechstens seinen Kindern aus erster Ehe „nicht mit empfindlichen worten zu begegnen“ und siebtens das von ihm zur Haushaltsführung „empfangne geld täglich zu verrechnen“.

Der Vergleich hielt nur wenige Monate. Anfang 1775 reichte der Ehemann die Scheidung von Tisch und Bett ein. In der Tagsatzung vom 24. März 1775 brachte er vor, dass seine Ehefrau sich nicht an den Vergleich halte, sie mit ihm täglich „zanke, raufe und schlage“, er ihr als „alter, entkräfter mann“ keinen Widerstand leisten könne und seines Lebens nicht sicher sei. Als Beweis für die physische Gewalt legte er neben drei ärztlichen Attesten auch Zeugenaussagen vor. Wegen der ausgeübten physischen Gewalt habe das Grundgericht sie im Februar 1775 drei Tage in den Arrest gesperrt.

Magdalena Hadaunin bestritt die „raufhändel“ nicht, entgegnete allerdings, dass nicht sie, sondern ihr Ehemann diese begonnen habe und legte ebenfalls ein Attest vor, welches beweise, dass ihr Ehemann sie „grausam geschlagen habe“. Gegen das Scheidungsbegehren ihres Mannes, so Magdalena, habe sie nichts einzuwenden, zumal „er ihr ohnehin die ehepflichten versagt“, sprich mit ihr nicht schlafe. Magdalena verlangte allerdings, dass ihr Ehemann zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werde.

Neuerlich fällten die Konsistorialräte ein bedingtes Endurteil, welches dem Ehemann auftrug, „die angebrachten schläge und gewaltthättigkeiten zur gänzlichen scheidung von tisch und beth, wie es sich zu recht gebührt, zu erweisen“. Magdalena gestanden sie wiederum das Recht auf Gegenweisung zu. Für die Zeit des Beweisverfahrens erlaubten sie dem Ehepaar, von Tisch und Bett getrennt zu leben und bedrohten beide Eheteile mit Arrest, sollten sie gegeneinander physische oder verbale Gewalt ausüben.

Am 17. Jänner 1777, nach einem fast zweijährigen Beweisverfahren, entschieden die Konsistorialräte, dass

„zwar zur scheidung nicht genugsame ursachen, wohl aber zu einer längeren toleranz hinlänglich belanggründe vorhanden"[sind].

Das Urteil gewährte dem Ehemann statt der geforderten Scheidung eine zweijährige Trennung von Tisch und Bett. Als Unterhalt für Magdalena und das Kind bestimmte das Gericht jeweils 12 Kreuzer täglich, wobei das Protokoll vermerkt, dass der Kläger diesen Unterhalt aus „gutwilligkeit“ zahle. Im Urteil wurde zudem festgehalten, dass Magdalena den Anspruch auf Unterhalt verliere, sollte sie ihren Ehemann oder auch dessen Kinder aus erster Ehe öffentlich beschimpfen.

Im Jänner 1779, nachdem die zweijährige Toleranzzeit geendet hatte, reichte Magdalena die nunmehr vierte Klage auf Wiederaufnahme der Cohabitierung ein, die sie diesmal damit begründete, dass ihr Ehemann den versprochenen Unterhalt nicht freiwillig bezahlte, sondern sie diesen immer exekutieren lassen müsste. Adalbert Hadaun verweigerte weiterhin die Cohabitierung, argumentierend, dass „has und verbitterung“ nicht geendet hätten und er vor zwei Jahren bereits

„propter saevitiem uxoris wohl eine scheidung erhalten könen, wenn er sich nicht freywillig, um mehrere processe zu ersparen, auf eine toleranz und alimentenabreichung einverstanden hätte."

Adalbert Hadaun erklärte sich bereit, seiner Ehefrau und dem Kind weiterhin Unterhalt zu zahlen. Die Konsistorialräte entschieden in seinem Sinne, indem sie die Toleranz mit den 1777 getroffenen Bedingungen um weitere zwei Jahre verlängerten.

Nach Ablauf der Frist klagte Magdalena zum nunmehr fünften Mal die Wiederaufnahme der Cohabitierung ein, da, so ihr Argument in diesem Verfahren, keine rechtlichen Gründe für eine Verlängerung gegeben wären. Adalbert Hadaun verwies bei der Tagsatzung vom 19. März 1781 abermals auf sein hohes Alter, welches Frieden und Ruhe erfordere und bat erneut um eine Verlängerung der Toleranz. Auch diesmal entschieden die Konsistorialräte in seinem Sinne und verlängerten die Toleranz um weitere zwei Jahre.

Nach diesem Eintrag verlieren sich die Spuren des Ehepaares in den Konsistorialprotokollen. Auch in den eingesehenen Scheidungsakten des Wiener Zivilmagistrats, der ab November 1783 für die Ehescheidungen der Wiener Ehepaare zuständig war, die ihren Wohnort innerhalb der Linien hatten, findet sich kein weiterer Hinweis auf das Ehepaar. Ausgehend vom Sterbeeintrag von Adalbert Hadaun, welcher wie erwähnt in den Sterbematriken der Wiener Pfarre St. Karl Borromäus vermerkt ist, wäre der Wiener Zivilmagistrat für die Scheidung des Ehepaares zuständig gewesen.

Obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Akten nicht mehr überliefert sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Adalbert Hadaun nach 1783 die Scheidung beantragte. Das mit 1. November 1783 in Kraft getretene Josephinische Ehepatent erlaubte in den ersten drei Jahren seiner Gültigkeit nur „einverständliche Scheidungen“ und es ist nicht davon auszugehen, dass Magdalena einer solchen zugestimmt hätte. Auch die Optionen von Magdalena Hadaunin waren mit der geänderten Gesetzeslage begrenzt, da die Zivilgerichte in den ersten Jahren neben uneinvernehmlichen Scheidungsklagen auch keine Klagen zur „Anordnung der Cohabitierung“ akzeptierten, sondern zerstrittene Ehepaare an die Polizeibehörden verwiesen.

Im Kontext aller erhobenen Verfahren betrachtet, stellt der geschilderte Fall des Ehepaares Magdalena und Adalbert Hadaun*in eine spannende Ausnahme dar, die für die Nutzung der Konsistorialgerichte den Raum der Möglichkeiten erschließt. Dass Eheteile nach einer erstrittenen Toleranz, auch wenn diese auf wenige Monate oder Jahre befristet war, die Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens verweigerten, scheint in der Praxis hingegen nicht die Ausnahme, sondern die Regel gewesen zu sein.

Andrea Griesebner, Juni 2018
Letztes Update: Jänner 2021

Weiter: Weltliche Gerichtsbarkeit (1783–1850)
Zitation: Andrea Griesebner, Folgeverfahren » Einstieg » Eheverfahren » Kirchliche Gerichtsbarkeit (1558–1783), in: Webportal. Ehen vor Gericht 3.0, 2024, <http://ehenvorgericht.univie.ac.at/?page_id=10209>. [Zugriffsdatum: 2024-11-24]