Ehepaare (1857–1868)

1. Quellenerhebung
2. Quantitative Ergebnissse

1. Quellenerhebung

Siehe die Ausführungen im Menüpunkt: Weltliche Gerichtsbarkeit

2. Quantitative Ergebnisse

Wie im Menüpunkt Eheverfahren dargelegt, konnten wir in den untersuchten Zeitsegmenten des Zeitraums von 1857 bis 1868 insgesamt 77 Ehepaare eruieren, welche insgesamt 86 Verfahren beim St. Pöltener und beim Wiener Ehegericht führten. Das Interesse der klagenden Ehepartei galt vorwiegend der Scheidung von Tisch und Bett (95,5 %). Wie auch in den anderen untersuchten Zeitsegmenten waren es in der überwiegenden Mehrheit die Frauen, welche die Scheidung beantragten: 61 (70,9 %) der Scheidungsklagen waren von den Ehefrauen, 22 (25,6 %) von den Männern initiiert worden. In je einem Verfahren ersuchte die Ehefrau um die Annulierung der Ehe, die Anordnung der Cohabitierung sowie die Wiederaufnahme der Cohabitierung.

Was wissen wir über diese 77 Ehefrauen und Ehemänner? Wie auch für die anderen Zeitsegmente haben wir uns bemüht, die aus den Verfahrensdokumenten gewonnenen Informationen systematisch um weitere personenbezogene Daten anzureichern. Neuerlich verwendeten wir dazu vor allem die Heirats-, Tauf- und Sterbematriken der Pfarren, die auf Matricula Online als Digitalisate zur Verfügung stehen.

RELIGION

Wie nachstehende Tabellen zeigen, gehörte die weitaus überwiegende Mehrheit der 77 Ehepaare der römisch-katholischen Kirche an. Bemerkenswert ist, dass immerhin acht Ehepaare (10,4 %) interkonfessionell waren, wobei es auch in diesem Zeitsegment deutlich öfter der Ehemann war, der nicht der römisch-katholischen Konfession angehörte.

Tabelle 1 a und 1 b: Religion der Ehepartner*innen

Interkonfessionelle Ehepaare

HEIRATSDATUM

Wie nachstehende Tabelle zeigt, konnten wir für knapp über 90 Prozent der Ehepaare das Heiratsdatum eruieren. 23 Ehepaare führten die Verfahren vor dem bischöflichen Ehegericht in St. Pölten, 54 Ehepaare vor dem bischöflichen Ehegericht in Wien.

Tabelle 2: Untersuchungszeitraum | Heiratsdatum

ZIVILSTAND | TRAUUNG

Von rund die Hälfte der Ehepaare wissen wir ihren Zivilstand zum Zeitpunkt der Hochzeit. Im Vergleich zu den Ehepaaren der vorangegangenen Untersuchungsabschnitte (1783-1850) fällt auf, dass die Anzahl der Frauen wie der Männer, die zum Zeitpunkt dieser Ehe bereits verwitwet waren, mit 31,8 bzw. 34,1 Prozent deutlich höher war. Aufgrund der niedrigen Zahlen sind diese statistischen Ergebnisse allerdings mit Vorsicht zu interpretieren.

Tabelle 3: Zivilstand bei der Trauung nach Geschlecht

Wie die nächste Tabelle zeigt, konnten wir bei 39 Ehepaaren den Zivilstand für beide Brautleute eindeutig feststellen. Der leicht höhere Anteil an verwitweten Personen wird auch in dieser Tabelle sichtbar. In fast der Hälfte der Ehen (43,6 %) war zumindest ein Eheteil bereits verheiratet gewesen. Bemerkenswert hoch ist mit 17,9 Prozent der Anteil von Witwen, die sich zu einer Ehe mit einem meist erheblich jüngeren Junggesellen entschlossen hatten. Höher als im vorangegangenen Zeitsegment, jedoch niedriger als in der Frühen Neuzeit ist mit fast 13 Prozent die Konstellation, dass eine verwitwete Frau und ein verwitweter Mann beschlossen, den weiteren Lebensweg als Ehepaar zu verbringen.

Tabelle 4: Zivilstand bei der Trauung pro Ehepaar

HEIRATSALTER

Für 68 Frauen und 65 Männer konnten wir das Alter bei der Heirat in Erfahrung bringen. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, waren fünf Frauen und drei Männer bei der Ehe minderjährig. Mit vier Frauen und fünf Männern ist der Anteil von Eheschließungen erstaunlich hoch, wo zumindest ein Eheteil bei der Hochzeit das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatte. Wie nachstehende Tabelle ebenfalls zeigt, findet sich auch in diesen Zeitsegmenten die größte Gruppe der Bräute in der Alterskohorte zwischen 21 und 25 Jahren (35,3 %), der Bräutigame in der Alterskohorte zwischen 26 und 30 Jahren (27,7 %).

Tabelle 5: Alter bei der Trauung nach Geschlecht

ALTERSDIFFERENZ EHEPAAR

Für 65 Ehepaare konnten wir sowohl für den Ehemann als auch für die Ehefrau das Alter eruieren. Wie nachstehende Tabelle zeigt, wiesen nur zwei der Ehepaare keine Altersdifferenz auf. Knapp die Hälfte der Ehepaare (46,2 %) war annähernd gleich alt, hatte eine Altersdifferenz bis zu 5 Jahren. Ein gutes Viertel der Ehepaare (26,2 %) wies eine Altersdifferenz zwischen 6 und 10 Jahren auf, wobei in rund 70 Prozent der Fälle der Ehemann älter war. Bei Ehepaaren mit einer Altersdifferenz mit mehr als 11 Jahren war fünf Mal die Frau, vier Mal der Ehemann älter. Unter den fünf Ehepaaren, welche eine Altersdifferenz über 21 Jahre hatten, war drei Mal der Ehemann, zwei Mal die Ehefrau älter. Nachdem vor allem das Quellensample der Ehepaare mit einer hohen Altersdifferenz sehr klein ist, sind die abweichenden Ergebnisse zu den Ehepaaren in den anderen Zeitsegmenten neuerlich mit Vorsicht zu interpretieren.

Tabelle 6: Altersdifferenz der Ehepartner*innen

EHEDAUER

Setzen wir das Trauungsdatum mit dem Datum der ersten Klage in Bezug, so ergibt sich ein Bild, welches mit dem der vorangegangenen Untersuchungszeiträume recht ähnlich ist. Wie bei den Ehepaaren zwischen 1783 und 1850 liegt der Anteil der Ehepaare, wo ein Eheteil bereits innerhalb der ersten fünf Ehejahre die Scheidung forderte, bei einem guten Drittel (35,7 %). Mit einem Viertel ist auch der Anteil der Ehepaare ähnlich hoch, wo ein Eheteil nach sechs bis zehn Ehejahren eine Scheidung beantragte. Mit 8,7 Prozent vergleichbar hoch ist auch der Anteil der Ehepaare, die beim ersten Verfahren vor den bischöflichen Ehegerichten länger als 21 Jahre verheiratet waren.

Tabelle 7: Ehedauer bis zum ersten Eheverfahren

ALTER BEIM SCHEIDUNGSGESUCH BZW. DER KLAGE

Für 67 Frauen und 63 Männer konnten wir das Alter bei der ersten Klage vor den bischöflichen Ehegerichten eruieren. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, waren sieben Frauen und drei Männer zu diesem Zeitpunkt unter 25 Jahre alt. Überraschen hoch ist die Zahl der Ehepaare, die zum Zeitpunkt der Klage das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatten: 18 Frauen (26,9 %) und 15 (23,8 %) Männer waren älter als Fünfzig.

Tabelle 8: Alter beim ersten Eheverfahren nach Geschlecht

SOZIALE POSITION BEI  DER SCHEIDUNG

Wie die nachstehende Tabelle zeigt, ist auch bei diesen Ehepaaren unser Wissen um die berufliche Tätigkeit des Ehemannes größer als über die Ehefrauen. Mit 50 Prozent ist neuerlich der Anteil von Männern sehr hoch, die im Handwerk bzw. im Gewerbe tätig waren. Dass der Anteil der Frauen, die in der Landwirtschaft arbeiteten mit 36,6 Prozent deutlich über jenem der Männer mit 23 Prozent liegt, ist nicht nur der geringeren Informationsdichte bei den Frauen, sondern auch der statistischen Auswertung geschuldet, derzufolge wir im Falle mehrerer Berufstätigkeiten (z. B. Bauer und Schneider) prioritär das Handwerk bzw. Gewerbe zur sozioökonomischen Positionierung heranzogen. Im Vergleich zu den vorhergehenden Zeiträumen waren insgesamt viel mehr Frauen und Männer dem bäuerlichen Milieu zuzuordnen. Neben dem Handel, in dem mehr als 17 Prozent dieser Frauen arbeiteten, fällt auch die steigende Bedeutung der Verlags-, Fabriks- und Manufakturarbeit für die Einkommen von getrennten bzw. geschiedenen Ehefrauen auf.

Tabelle 9: Sozioökonomische Position der Ehepartner*innen nach Geschlecht

WOHNORT WÄHREND DER EHE

Für nahezu drei Viertel der Ehepaare (74 %) ließ sich der gemeinsame Wohnort während der Ehe aus den Akten und Protokollen rekonstruieren. Wie nachstehende Tabelle zeigt, lebten 27 der Ehepaare innerhalb der heutigen Stadt Wien, 30 Ehepaare in einer Gemeinde in Niederösterreich. Für Wien lässt sich – auch aufgrund der geringen Fallzahl – keine Konzentration der Scheidungsfälle auf bestimmte Wohnbezirke feststellen, in Niederösterreich fallen die Bezirke St. Pölten und Melk mit sieben bzw. sechs Ehepaaren auf, also gemeinsam mit mehr als einem Fünftel des Samples (22,8 %).
54 der Ehepaare verhandelten ihre Scheidungsklage vor dem Wiener Ehegericht,  23 vor dem Diözesangericht in St. Pölten. Zu berücksichtigen gilt es hierbei, dass das Quellensample auch Appellationsverfahren von Ehepaaren enthält, die in Niederösterreich oder in anderen Gebieten der Monarchie lebten. Vgl. dazu den Menüpunkt Datenerhebung – Kirchliche Gerichte (1857-1867) – Quellen 

Tabelle 10: Wohnorte des Ehepaares

Andrea Griesebner, Susanne Hehenberger, Dezember 2020

Weiter: Publikationen
Zitation: Andrea Griesebner und Susanne Hehenberger, Ehepaare (1857–1868) » Einstieg » Ehepaare, in: Webportal. Ehen vor Gericht 3.0, 2024, <http://ehenvorgericht.univie.ac.at/?page_id=10130>. [Zugriffsdatum: 2024-04-19]