Von „zeitweiligen“ und „lebenslänglichen“ Scheidungen

Die Scheidung von Tisch und Bett wird für so lange bewilligt, bis die Klägerin/der Kläger ohne Gefahr für ihr/sein zeitliches und ewiges Heil die ehliche Gemeinschaft mit ihrem Gatten/seiner Gattin erneuern kann.

Diese Formulierung entstammt einem Scheidungsurteil, wie es in den 1860er-Jahren in zahlreichen Fällen vom Wiener fürsterzbischöflichen Ehegericht ausgesprochen wurde. Darin gewährte das Ehegericht den Eheleuten eine zeitlich befristete Scheidung von Tisch und Bett und machte die Dauer der Trennung davon abhängig, wie lange eine Gefahr für das dies- und jenseitige „Heil“ der klagenden Partei besteht. Von wem diese Gefahr ausging, darüber gibt der Auszug aus dem Urteil keine Auskunft. In den allermeisten Fällen ging die Gefahr vom Ehemann, seiner Gewaltbereitschaft und/oder seiner Alkohol- bzw. Spielsucht aus.

Während Scheidungen von Tisch und Bett zwischen 1783 und 1856 – als in Wien und Teilen der Habsburger Monarchie staatliche Gerichte für Ehestreitigkeiten zuständig waren – stets unbefristet ausgesprochen bzw. bewilligt wurden, erlaubte das fürsterbischöfliche Ehegericht in den 1860er-Jahren zumeist nur „zeitweilige“ Scheidungen von Tisch und Bett und setzte auf eine mögliche Versöhnung und damit Wiedervereinigung der Eheleute. Nur in wenigen Fällen (meist aufgrund eines bewiesenen oder eingestandenen Ehebruchs) gewährten die Räte eine „lebenslängliche Scheidung von Tisch und Bett“. Mit dieser restriktiven Urteilspraxis schlossen die Räte an die Rechtsprechung der Kirchengerichte vor 1783 an.