1. Quellenerhebung
2. Verknüpfung der Daten
1. Quellenerhebung
Die im Kontext von Eheverfahren erzeugten Akten sind weder für das Wiener noch für das Passauer Konsistorium erhalten. Die verhandelten Ehesachen können allerdings aus den Protokollbüchern der Kirchengerichte rekonstruiert werden, welche sich heute im Diözesanarchiv Wien befinden.
Die Praxis der kirchlichen Ehegerichtsbarkeit vor 1783 wurde anhand der überlieferten, oft zu dickleibigen Folianten gebundenen Protokolle des Passauer und des Wiener Konsistoriums untersucht.
Für den gesamten Untersuchungszeitraum gilt, dass die Protokolle des Wiener Konsistoriums als Gesamtprotokolle geführt wurden. Dies bedeutet, dass in den Büchern nicht zwischen den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen des Kirchengerichts – spirituales, ecclesiastica und matrimonii – differenziert wird, sondern die Tätigkeiten des Konsistoriums chronologisch verzeichnet sind. In der Forschungspraxis bedeutete dies, dass manche Archivbesuche eher enttäuschend verliefen, da wir zwar hunderte von Seiten gelesen, aber kein Eheverfahren eruiert hatten. Dem gegenüber standen Archivbesuche, bei denen die Einträge zu Eheverfahren sehr dicht aufeinander folgten.
Während die Passauer Protokolle (abgesehen von jenen der letzten Jahre vor den Josephinischen Diözesanreformen) als Reinschriften überliefert sind, sind die eingesehenen Wiener Protokollbücher ca. zur Hälfte Rapulaturen bzw. Rapulare, d.h. zum laufenden Handgebrauch des Konsistoriums erzeugte Schriften. Ob von den Rapularen keine für die Archivierung gedachten Reinschriften erzeugt wurden, oder diese nicht mehr überliefert sind, können wir nicht beantworten.
Auch variiert, ob Abschriften der Urteile in die Bücher eingebunden oder diese in eigenen Faszikeln abgelegt wurden. So finden sich in den Wiener Protokollbüchern zwischen 1656 und 1708 manche, aber bei weitem nicht alle Urteile in separaten Rubriken eingebunden. Im Wiener Protokollbuch 25, welches vom 3. Jänner 1670 bis 6. Mai 1675 reicht, sind die Urteile am Ende des Buches, auf den Seiten 813 bis 925, eingetragen.
2. Verknüpfung der Daten
Wie ausgeführt, sind die Eheverfahren nicht in einem Dossier gebündelt überliefert, sondern mussten aus chronologisch geführten Büchern rekonstruiert werden. Alle relevanten Einträge wurden nach vereinbarten Transkriptionsregeln von Mitarbeiter*innen des Forschungsprojekts im Volltext transkribiert und die lateinischen Stellen (ca. zehn Prozent) ins Deutsche übersetzt.
Parallel zur Erhebung der Eheverfahren entwickelten wir eine Datenbank, die wir zu Beginn des Forschungsprozesses auch zum Zusammenfinden der einzelnen Verfahrensschritte zu nützen versuchten. In der Forschungspraxis erwies sich diese Methode als ungeeignet, da die Eingabe in die Datenbank ein Wissen um das jeweilige Eheverfahren voraussetzte, welches wir noch nicht hatten.
Als methodisches Tool zum Zusammenfinden der Einträge zu einem Ehepaar nützten wir schlussendlich die Gliederungsfunktion, welche Textverarbeitungsprogramme anbieten. Zur Anwendung dieser Funktion versahen wir jeden individuellen Protokolleintrag mit einer standardisierten Überschrift, die jedem Ehepaar einen gemeinsamen Ehenamen zuwies und das Datum des Eintrags und die bibliographischen Angaben verzeichnet.
Als gemeinsamen Ehenamen haben wir den Nachnamen des Ehemannes genommen, auch wenn es bis weit in das 18. Jahrhundert nicht selbstverständlich war, dass Frauen bei der Ehe immer den Nachnamen des Ehemannes annahmen. Wurde das Ehepaar mit unterschiedlichen Nachnamen verzeichnet, so war aus den Angaben in den Konsistorialprotokollen oft nicht erkennbar, ob der Nachname der Ehefrau ihr Geburtsname war, oder der Nachname eines verstorbenen Ehemannes, welchen sie angenommen hatte und trotz der neuen Ehe weiterhin führte. Aber nicht nur die Ehefrauen, auch viele der Ehemänner waren verwitwet, teilweise mehrfach. Da sich der Nachname des Mannes zwischen Geburt und Tod nicht verändert, haben wir uns zugleich dafür entschieden, die verschiedenen Ehen über die Frauen zu differenzieren. So wurde beispielsweise ein Eintrag zu Maria Katharina Vogtin, die 1664 von ihrem Ehemann Johann Georg Jungwirth verklagt worden war, mit folgender Überschrift versehen:
Jungwirtin (Vogtin, geb.) Maria Katharina | Johann Georg 1664-12-05 DAW PP 86_318v. Die Überschrift setzt sich wie folgt zusammen:
- Ehename, Geburtsname und Vorname der Ehefrau
- Vorname des Ehemannes
- Datum des Protokolleintrages
- Signatur des Protokollbuches und Seite bzw. Folio
Die alphabetische Sortierung der Überschriften ermöglichte es uns, alle erhobenen Einträge zu einem Ehepaar automatisiert in eine chronologische Ordnung zu bringen.
Die chronologische Lektüre aller Transkriptionen zu einem Ehepaar ließ uns erkennen, dass Ehepaare nicht nur sukzessive Eheverfahren führten, sondern teilweise parallel zum Verfahren in der Hauptsache auch ein oder mehrere Zusatzverfahren führten. Um die verschiedenen Verfahren differenzieren zu können, erarbeiteten wir uns ein Wissen um das Verfahrensrecht, welches wir mangels Forschungsliteratur großteils aus der Gerichtspraxis und zeitgenössischen Abhandlungen lernten. Zu Dank verpflichtet sind wir vor allem unserer Kooperationspartnerin Karin Neuwirth, welche uns bei der Entwicklung der verschiedenen Verfahrensarten wie Verfahrenstypen unterstütze.
Andrea Griesebner, 2016, letzte Aktualisierung, Juni 2021.