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Einigung bei Familienrechtspaket

Im Zentrum der Reformen des Familienrechts steht die gemeinsame Obsorge als Regelfall bei uneinvernehmlichen Scheidungen und bei Kindern unverheirateter Eltern. Mehr dazu auf oe1.orf.at:

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) haben gemeinsam das Familienrechtspaket geschnürt. Damit ist der Weg für die gemeinsame Obsorge von Eltern jetzt frei – auch im Fall der Scheidung und im Fall von Kindern, deren Eltern unverheiratet sind. [weiter ...]

Wegweisung und Kirchenarrest anno 1665

Ehetrennungen verliefen selten reibungslos. Bei Nicht-Befolgung von Vorladungen, wenn eine Person flüchtig war oder gerichtliche Auflagen ignorierte, ersuchte das Konsistorium häufig um die Amtshilfe weltlicher Obrigkeiten. Seltener finden sich Belege, dass das Kirchengericht selbst zu Zwangsmaßnahmen griff.

Im Juni 1665 hielt es Ursula Grieblerin mit ihrem gewalttätigen Ehemann nicht mehr aus. Nachdem Lucas Griebler selbst zugegeben hatte, seine Frau immer wieder zu schlagen, gewährte das Wiener Konsistorialgericht eine zweijährige Trennung mit der Auflage, dass Lucas Griebler bey arrestierung seiner persohn sich der klägerin ihrer persohn und ihres zimmers und cohabitation gänzlich enthalten solle. Dies wollte er nicht akzeptieren, sondern protestierte direkt vor Gericht, er wöll geich in ihr zimmer heimbgehen. Das Konsistorium sah sich genötigt, Lucas Griebler wegen seines truzes vom Cursor in Arrest nehmen und ihn bei Wasser und Brot so lang eingesperrt zu lassen, bis er Besserung gelobe. Nach vier Tagen wurde er schließlich entlassen.

15. Juni 1665
Grieblerin Ursula contra maritum Lucasen Griebler.
Actrix enormem saevitiam und zeigt lividos oculos, wie ers erbärmlich tractirt, begehrt von ihm nichts, sondern nur ein toleranz.
Reus bekhendt sie also geschlagen zu haben, erzelt, wie er arrestirt gewesen, wehr sie nicht zu ihm khomen, hette nichts geschickht, sie seye ein böß weib.
Conclusum: Weil die üble tractation in confesso und auß allen umstendten khein besserung, sondern noch mehreres übl zu besorgen, ist ein toleranz auff zwey jahr verwilligt, entzwischen dem mann aufferelget, daß er bey arrestierung seiner persohn sich der klägerin ihrer persohn und ihres zimmers und cohabitation gänzlich enthalten solle.
Reus will in die toleranz kurzumb nit verwilligen, sondern erclärt sich außtruckhentlich, er thue es nicht, sondrn, ist also balden in arrest verschafft, und dem cursori aufferelegt worden, daß er ihm nichts anders, alß wasser und brodt volgen lassen solle, biß das er sich bessert.
Ist in arrest verblieben biß 19ten dits, an wellchem der arrestierte auf sein erbietten und anglieben, das er sie weder mit wortt noch werkhen nicht offendieren, auch nicht in ihr zümmer khumen wölle, erlassen worden, doch stehet ihm sein beschwähr, da er eine zu haben vermeint, bevohr.

“Wo zwei zusammen kommen in rechter Ehe“

Die Historikerin Margareth Lanzinger spricht diese Woche in “Betrifft: Geschichte“ über Heiratsverträge der Neuzeit.

"Wo zwei zusammen kommen in rechter Ehe". Heiratsverträge der Neuzeit im europäischen Vergleich. Mit: Margareth Lanzinger, Historisches Seminar, Leibniz-Universität Hannover. Gestaltung: Martin Adel
 Als rechtliche Institution und als Ordnungssystem zugleich, hat die Ehe eine zwar wenig beachtete, aber überaus große Rolle bei der Vermögensverteilung und ökonomischen Stellung von Ehepartnern gespielt; nicht nur bei Eheschließungen in fürstlichen oder Adels-Häusern, sondern auch im Bauernstand und bei Gewerbetreibenden. Was beim Erbrecht evident erscheint, wird in der genannten Hinsicht erst so richtig deutlich, wenn man das regional recht unterschiedliche Ehegüterrecht untersucht. Und das wich in Bezug auf die Regelungen von Gütertrennung oder Gütergemeinschaft in den einzelnen Herrschaftsbereichen oder Grundherrschaften deutlich voneinander ab und wurde wohl auch unterschiedlich gehandhabt. Dem kommt - man denke an die hohen Sterblichkeitsraten und die Praxis der häufigen und mehrfachen Wiederverheiratung - eine hohe Bedeutung für das persönliche Pouvoir oder Vermögen (im weitesten Sinn) zu; nicht zuletzt, wenn man bedenkt, dass für einen Gutteil der Bevölkerung, die Ehe an verschiedenste Bedingungen geknüpft war und z.B. von herrschaftlicher Willkür oder auch von strengen Zunftregelungen abhing. Vor diesem Hintergrund gewinnen Untersuchungen über die historische Bedeutung von Mitgift, in die Ehe eingebrachtem bzw. in der Ehe gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen eine wichtige Aussagekraft über soziale Stellung und Möglichkeiten im Wandel der Zeiten.

Die mit gutem Willen von beyden Seiten eingegangenen Trennungen sind in Wien sehr gemein.

Der Schriftsteller Johann Rautenstrauch veröffentlichte 1784 unter dem Pseudonym „Arnold“ ein dreiteiliges Büchlein, das er mit „Schwachheiten der Wiener. Aus dem Manuskript eines Reisenden“ betitelte. Darin finden sich interessante Beschreibungen aus dem (bürgerlichen bzw. adeligen) Wiener Alltag. Rautenstrauch äußerte sich beispielsweise über den „Ehestand“, den „Widerwillen für die Heyrath“, die „Spielsucht“ und die „Schminke“. Interessant ist seine Meinung zur Ehetrennung:

Der erzbischöfliche Pallast in Wien hallt täglich und stündlich von den Klagen wieder, welche Eheleute, die Eines des Andern müde sind, vor dem Konsistorium ausstossen, und doch ist die Ehescheidung nicht erlaubt. Die geheiligten Bande der Ehe, da ihre Unauflöslichkeit festgesetzt ist, werden also zerrissen.
Das Gesetz war endlich gezwungen, die eheliche Trennung, die noch weit empörender, als die Ehescheidung selbst ist, zu gestatten. Die mit gutem Willen von beyden Seiten eingegangenen Trennungen sind in Wien sehr gemein. So verlieren die heiligsten Gesetze ihre Kraft und Würde. - Unterdessen muß der Mann seiner Frau, in jedem Fall, ihren Unterhalt verschaffen, sie mag ihn durch üble Wirthschaft zu Grund gerichtet, oder durch unanständige Aufführung beschimpft haben.

Wer sich für die „Schwachheiten der Wiener“ interessiert, findet diese auf Phaidra, einem Service der Universität Wien.

Ein Fall aus dem Jahr 1658

Das erste Mal  tritt das Ehepaar Herbert bzw. Herbertin am 19. August 1658 vor das Wiener Kirchengericht; nur sieben Wochen nach der Eheschließung. Johann Christoph Herbert verlangte von seiner Ehefrau, dass sie zu ihm zurückkehren und die eheliche Gemeinschaft wiederaufnehmen solle, denn sie sei ihm ohne Grund fünf Tage nach der Hochzeit davongelaufen. Anna Maria Clara Herbertin begründete die Flucht mit körperlicher Abneigung (er habe Mundgeruch und sei inkontinent), Alkoholismus, Gewalttätigkeit und Impotenz. Ihr Ehemann widersprach allen Vorwürfen und beschuldigte die Beklagte, ihn ohne Grund verlassen zu haben. Im Gerichtsverfahren kam es zu keiner Einigung. Die Advokaten Dr. Lang und Dr. Bechtoldt hinterlegten jeweils eine Kaution, die sicherstellen sollte, dass sich Kläger und Beklagte dem Verfahren nicht durch Flucht entziehen.

Die Argumentation der Ehefrau, warum sie von Ihrem Ehemann davongelaufen sei, fasste der Gerichtsschreiber folgendermaßen zusammen:

[Johann Christoph Herbert] lege zue nachts daß bloße schwerdt sambt denen pistollen zum bett. 2do stinckhe er auß dem mundt, daß ihme niemandt khönne conhabitiren, laße salva veniâ urinam undt alles undter sich ins bett, und halte sich dermassen unsauber, daß sie ihme auch destwegen nicht beywohnen khönne. 3tio seye er nichts satis potens, ... Khönne ihr in debito conjugali khein satsifaction laisten, ...

Vorschläge für die Regelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften

Die beiden Wiener Zivilrechtlerinnen Constanze Fischer-Czermak und Barbara Beclin erarbeiteten Vorschläge für die gesetzliche Regelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Ihr Hauptaugenmerk richteten sie unter anderem  darauf, inwieweit neue Regeln für eine Trennung der PartnerInnen geschaffen werden können. Die JuristInnen greifen Fragen des Unterhalts, der Vermögensaufteilung und der Kinderobsorge auf.

dieStandard.at berichtet darüber: Trennung ohne Trauschein, dieStandart.at, 19. Juli 2012.

Ein Häutel als Verhütungsmittel

Im August 1830 führte Magdalena Kaubarek ein Scheidungsverfahren gegen ihren Ehemann. Sowohl sie als ihr Mann, ein Bindermeister aus der Leopoldstadt, waren zu diesem Zeitpunkt 42 Jahre alt. Aus dem Protokoll, das während der Verhandlung angefertigt wurde, erfahren wir folgendes:

Seine Gattin [habe ihm] einst im Bette erzählt, daß ihre beste Freundin, welche von ihrem Manne geschieden war, ihr einst gesagt habe, daß ihr Gatte bey Pflegung des Beyschlafs um die Kindererzeugung zu verhindern, gewisse Vorsichten anwandte.

Von Seite der Commission nahm man Anstand, die wörtlichen Ausdrücke zu Protokoll zu nehmen, allein derselbe beharrte darauf, und gab aus eigenem Munde folgendes zu Protokoll:

Seine Gattin habe gesagt, diese ihre beste Hausfreundin habe ihrem Manne das Recht abgewonnen, daß sie gerne ein Kind gehabt hätte; da habe sie darauf gesagt, so oft er sie gebraucht habe, habe er stets ein Häutel darüber gethan; da habe er Kauberek ihr zur Antwort gegeben, er sey schon 30 Jahre in der Fremd, habe sehr viel gesehen, aber dieß habe er nicht gesehen, wenn daher seine Gattin eine solche Hausfreundin hatte, so könne an ihr auch nichts braves seyn, das gehöre nicht für eine wohlerzogene Jungfrau.

Auf der Homepage des Museums für Verhütung & Schwangerschaftsabbruch findet sich eine Abbildung eines solchen Häutels. In den Beständen des Museums ist unter der Inventarnummer 2053 ein Schafsdarmkondom mit Bändchen verzeichnet.

Ekel als Scheidungsgrund

Am 3. April 1850 rechtfertigte sich der 64jährige Schneidermeister Johann Duschek gegen die Vorwürfe, die seine um 33 Jahre jüngere Ehefrau Rosalia Duschek gegen ihn vorgebracht hatte, wie folgt:

Was den 2ten Scheidungsgrund anbelangt, nämlich, daß er mit einem übelriechenden Athem und Ausdünstung behaftet sey, so müße er diesen Umstand als unwahr widersprechen. ... Übrigens berufe er sich auf die Wahrnehmung der gerichtlichen Commission, denn, wäre die Angabe der Klägerin in dem Grade richtig, wie sie in ihrer Klage behauptete, so müßte dieser Übelstand auch von dem Gerichte wahrgenommen werden könnnen.

Rosalia Duschek antwortete während derselben Tagsatzung, wie ein Verhandlungstermin vor Gericht bezeichnet wurde, dass für sie

die Ausdünstung ihres Gatten Pest [sei] und es komme ihr vor, als wäre sie in der Nähe eines Leichnames, sie habe deßhalb auch zu Hause nichts eßen können.

Die Gerichtskommission ging auf die Aufforderung des beklagten Ehemanns ein und nahm Stellung zu diesem Übelstande. Der Gerichtsschreiber vermerkte folgendes im Protokoll:

Von Seite der Kommission wird bemerkt, daß Johann Duschek der Gerichtscommission sehr nahe stand, und deßen ungeachtet von der behaupteten übelriechenden Ausdünstung nichts bemerkt wurde, und daß auch die Klägerin dem Geklagten knapp zur Seite stand, ohne durch eine derlei Ausdünstung belästiget zu werden.

ein zu freizügiger Kleidungsstil…

Am 18. November 1776 erschienen Klara Freiin von Summerau und Gottfried Freiherr von Summerau vor dem Wiener Konsistorialgericht. Die Ehefrau äußerte, dass derzeit eine zusammenwohnung nicht friedlich seyn dürfte und verlangte, für eine bestimmte Zeit ihrem Ehemann den Zutritt zur Wohnung zu verbieten und getrennt leben zu dürfen. Als Gründe für die „Toleranz“ – wie der Zeitraum der Trennung bezeichnet wurde – gab Klara Freiin von Summerau folgendes an:

ihr gemahl habe sie jederzeit hart gehalten, verschiedene gefährliche trohungen gemacht, sein ganzes betragen wäre sehr unanständig, er halte sich in wäsch und kleidung unrein, wär vorhin öfters über nacht auf verdächtigen gründen geblieben, gehe zu haus vor den kindern und domestiquen im blossen hemd herum, gebe diesen üble beyspile, begehr in ipso actu conjugale ausschweifungen.