In den späten 1820er-Jahren veröffentlichte der Jurist Thomas Dolliner in der „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“ mehrere Beiträge über bestimmte Aspekte gerichtlicher Ehetrennungsverfahren. 1848 – zu diesem Zeitpunkt war er bereits emeritierter „Professor des Römischen Civil= und des Kirchenrechtes an der Wiener Universität“ – versammelte er diese und publizierte das „Handbuch des österreichischen Eherechtes“.
Nachdem der Eherichter die beiden Eheleute isoliert vernommen habe, rät Thomas Dolliner dem Richter, die „beyden Eheleute zugleich vor sich kommen [zu] lassen“. Für die gemeinsame Vernehmung von Ehefrau und Ehemann formulierte Thomas Dolliner folgende „Klugheitsregeln“:
1. Der Richter muß trachten, jeden Ausbruch der Leidenschaft im Keime zu ersticken, widrigens dürfte er die Erfahrung machen, daß die Eheleute, die sich gewöhnlich in einem sehr bewegten Gemüthszustande befinden, seine Ohren mit wechselseitigen Anklagen ermüden, sich mit Vorwürfen aller Art überhaufen, und zuletzt mit einander in ein unanständiges Gezänk und in eine solche Erbitterung gerathen werden, die ihnen alle Fähigkeit benimmt, vernünftige Vorstellungen anzuhören oder ihre Rechte gehörig zu vertheidigen. Die ganze Tagsatzung kann darüber fruchtlos ablaufen. 2. Er darf kein unanständiges Betragen dulden, den streitenden Theilen jeden solchen Unfug mit Ernst und Nachdruck untersagen, und wenn dieses nicht hilft, die weitere Verhandlung auf einen anderen Tag verlegen. 3. Er selbst soll die Parteyen schonend behandeln, ihnen keine unnützen Vorwürfe machen, sich gegen sie keine beleidigenden Reden oder unschickliche Scherze erlauben, sie nicht mit rauhen Worten anfahren, sondern sie gelassen fragen und anhören, nöthigen Falles belehren, und ihrem oft undentlichen [sic] und unzusammenhängenden Vortrage, oder ihrer Unbehülflichkeit in Darlegung der Beweismittel duch gehörige Weisungen nachhelfen.
aus: Dolliner, Thomas: Handbuch des österreichischen Eherechtes, Bd. 3: Der österreichische Eheproceß, Wien 1848, 120.