Ehepaare (1783–1850)

1. Quellenerhebung
2. Quantitative Ergebnisse

1. Quellenerhebung

Wie im Menüpunkt Eheverfahren dargelegt, konnten wir in den untersuchten Zeitsegmenten des Zeitraums von 1783 bis 1850 insgesamt 670 Ehepaare eruieren, welche in 697 Verfahren beim Wiener Zivilmagistrat ihre strittige Scheidung verhandelten (57 %), um die Genehmigung der einverständlichen Scheidung A (32,6 %) oder einverständliche Scheidung B (7,2 %) ersuchten, ihre getrennt lebenden Ehepartner*innen auf Cohabitierung klagten (2,6 %), die Annullierung der Ehe (0,6 %) oder nach einer Scheidung die Wiedervereinigung (0,1 %) forderten.

Was wissen wir über diese 670 Ehefrauen und Ehemänner? Ähnlich wie für die frühneuzeitlichen Ehepaare haben wir uns bemüht, die aus den Verfahrensdokumenten gewonnenen Informationen systematisch um weitere personenbezogene Daten anzureichern. Neuerlich verwendeten wir dazu vor allem die Heirats-,  Tauf- und Sterbematriken der Pfarren, die auf Matricula Online als Digitalisate zur Verfügung stehen. Diese Recherche gestaltete sich für die neuzeitlichen Ehepaare etwas einfacher, da wir die Wohnorte der Ehepaare teilweise über die Pfarrzeugnisse rekonstruieren konnten, welche sowohl strittigen als auch einverständlichen Scheidungsanträgen beizulegen waren und zum Teil gemeinsam mit den anderen Dokumenten archiviert wurden.

 Pfarrzeugnis

In der Regel stellte der Pfarrer des Wohnortes das Pfarrzeugnis aus. Dieses umfasste bei strittigen Scheidungen, wie nachstehendes Beispiel zeigt, folgende Informationen:

Digitalisat: Trennungszeugnis für Johann Christian und Elisabeth Sternickel vom 15. Mai 1832.

Einleitend führte der Pfarrer aus, welcher Eheteil die Scheidung bzw. Trennung bzw. Sonderung von Tisch und Bett (die Begriffe wurden synonym verwendet) beantragt hatte. Daran anschließend hielt er fest, dass er das Ehepaar bei drei verschiedenen Terminen zu versöhnen versucht hatte, diese Versöhnungsversuche aber erfolglos geblieben waren. Meist wird auch erwähnt, welcher Eheteil sich der Versöhnung widersetzte. Im obigen Pfarrzeugnis etwa, weil, „die Frau Elisabeth Sternickel auf ihrem Entschlusse zur Scheidung verharret.“ Das Pfarrzeugnis wurde mit einem Datum versehen und vom Pfarrer eigenhändig unterschrieben. Manche, aber nicht alle Pfarrzeugnisse sind mit einer Ortsangabe und dem Pfarrsiegel versehen. Im obigen Beispiel verfügen wir beispielsweise über die Information, dass das Pfarrzeugnis am 15. Mai 1832 in der Wiener Hauptpfarre St. Stephan von Konsistorialrat J. Schneider, Cur- und Chormeister ausgestellt worden war. Enthielt das Pfarrzeugnis nur den Namen des Pfarrers, so diente uns dessen Name zur Recherche der Pfarre. Für römisch-katholische Ehepaare verwendeten wir vor allem folgende Nachschlagewerke: Hof- und Staatsschematismus des österreichischen Kaiserthums (1807), Verzeichniß über den Personal-Stand der Säkular- und Regulargeistlichkeit der erzbischöflichen Wienerdiözes (1815) sowie Personal-Stand der Säcular- und Regular-Geistlichkeit der erzbischöflichen Wiener Diözese (1829 bis 1857), welche über Google Books online zur Verfügung stehen.

Nachdem bei einverständlichen Scheidungen das Pfarrzeugnis oft nicht archiviert worden war, recherchierten wir zusätzliche Personendaten der neuzeitlichen Ehepaare ebenfalls über das Online Portal GenTeam, über welches wir vor allem Hinweise auf die Ehematriken fanden. Für rund 20 Prozent der Ehepaare mit einem sehr üblichen Nachnamen wie Adler, Bauer, Mayer oder Weber war diese Recherche eine Herausforderung. Blieb die Suche nach den Heiratseinträgen auf GenTeam erfolglos, so arbeiteten wir systematisch die Indices der nach Angaben aus den Scheidungsakten vermuteten Trauungspfarre durch. Blieb auch diese Suche ohne Ergebnis, so recherchierten wir auch in jenen Wiener Pfarren auf Matricula Online, für die auf GenTeam noch keine Indices zur Verfügung standen. Auch hier gilt, dass wir manche Heiratsbücher nicht berücksichtigen konnten, da diese zum Zeitpunkt der Recherche noch nicht digitalisiert bzw. noch nicht auf matricula freigeschaltet waren.

Im Vergleich zur Frühen Neuzeit sind die Einträge in den Trauungsmatriken meist umfangreicher und werden in Rubriken geführt. Für ledige Personen sind in aller Regel Name und Wohnort der Eltern sowie der Beruf des Vaters, selten auch der Beruf der Mutter vermerkt. Zusätzlich dazu erfahren wir meist den Wohnort von Braut und Bräutigam, ihren Beruf, ihr Alter und ihren Zivilstand. Neu ist auch, wie nachstehende beide Screenshots zeigen, dass  die Formulare der Trauungsbücher nun die einzutragende Religion in zwei Kategorien differenzieren: katholisch und protestantisch.

Screenshot: Eintrag zum Bräutigam Peter Bovet im Trauungsbuch St. Josef ob der Laimgrube 1814–1820, fol. 87

Wie der Screenshot des Trauungseintrages von Peter Bovet zeigt, hatte der Pfarrer in diesem Fall das Religionsbekenntnis noch präzisiert: „evangelische Religion, hel[vetische] Con[fession]“. In anderen Einträgen verwendeten die Pfarrer die Kürzel AB (Augsburger Bekenntnis) bzw. AC (Augsburger Confession) oder reformiert bzw. HC (Helvetische Confession). Ausgehend von der methodischen Überlegung, dass Pfarrer die handschriftlichen Ergänzungen vor allem für die Ausnahmen nutzten, ordneten wir Einträge ohne weitere Präzisierung der lutherischen Konfession zu. Eindeutig eruiert werden konnte die Konfessionszugehörigkeit in jenen Fällen, wo das Ehepaar in der lutherischen oder in der reformierten Stadtkirche geheiratet hatte.

Im obigen Screenshot erfahren wir vom Bräutigam Peter Bovet zudem, dass er zum Zeitpunkt der Hochzeit 32 Jahre alt, ledig und von Beruf Uhrgehäusemacher war, in Mariahilf Nr. 22 lebte und aus Genf in der Schweiz stammte.

Screenshot: Eintrag zur Braut Theresia Philippe im Trauungsbuch St. Josef ob der Laimgrube 1814–1820, fol. 87.

Die Braut, Theresia Philippe, war zum Zeitpunkt der Hochzeit 18 Jahre alt, ledig und katholisch. Sie war die Tochter eines Uhrfabrikanten und wohnte in der Laimgrube Nr. 134. Von ihr erfahren wir nicht, ob sie eine Lehre absolviert hatte oder zum Zeitpunkt der Hochzeit berufstätig war. War die Braut verwitwet, so findet sich im Trauungsbuch weiterhin meist nur der Name und der Beruf des verstorbenen Mannes notiert. War dagegen der Bräutigam verwitwet, wurde der Name der verstorbenen Ehefrau auch in den Matriken des 19. Jahrhunderts nur selten eingetragen.

Vom bei der Heirat angegebenen Alter errechneten wir das Geburtsjahr von Braut und Bräutigam. Ähnlich wie für die frühneuzeitlichen Ehepaare ist das so errechnete Alter mit Vorsicht zu interpretieren. Wie im Vergleich mit einigen recherchierten Taufmatriken deutlich wird, sind die Altersangaben auch im 19. Jahrhundert noch weit davon entfernt, exakte Daten zu sein.
Zur Vervollständigung der Personendaten suchten wir in einem letzten Schritt auch nach den Todesdaten der Eheleute. Bei dieser Recherche konnten wir uns – neben der Suche via GenTeam und Matricula Online – vor allem auf das Online-Zeitungsarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek ANNO (AustriaN Newspapers Online) stützen. Anhand der Todesanzeigen in den volltext-durchsuchbaren Ausgaben der Wiener Zeitung konnten wir zu einigen Personen das Sterbedatum und den Sterbeort eruieren.

Screenshot: Sterbeannonce von Elisabeth Sternickel in der Wiener Zeitung vom 3. Juli 1849, S. 9

Aus der Sterbeannonce in der Wiener Zeitung erfuhren wir, dass Elisabeth Sternickel nach Dresden gezogen und 1849 im Alter von 58 Jahren dort verstorben war. Wann sie nach Dresden übersiedelt war, wissen wir allerdings nicht. Sicher ist nur, dass sie im Juni 1832 die strittige Scheidung eingeklagt und neben physischer Gewalt vor allem auch mit schlechter Wirtschaftsführung und dem liederlichen Lebenswandel ihres Ehemannes begründet hatte. Ende Juli 1832 hatte sich das Ehepaar auf einen Scheidungsvergleich geeinigt (siehe dazu auch die Fallbeschreibung unter dem Menüpunkt Obsorge).
Oft ermöglichten uns diese Informationen wiederum, die Einträge in den Sterbebüchern der Pfarren zu recherchieren, welche neben dem Alter und der Todesursache häufig auch Aufschlüsse über die soziale Position und den Wohnort zum Sterbezeitpunkt erlaubten.

Wohnorte des Ehepaares und zuständige Pfarrer

Verfügte das Ehepaar zum Zeitpunkt des Eheverfahrens über unterschiedliche Wohnorte, so haben wir den gemeinsamen Wohnort während der Ehe wie folgt eruiert: Lag die Wohnadresse des Ehemannes in jener Pfarre, die dem Ehepaar das Pfarrzeugnis ausgestellt hatte, so nahmen wir als letzten gemeinsamen Wohnort des Ehepaares die Wohnadresse des Ehemannes in die Datenbank auf. Dieser Entscheidung liegt die Überlegung zugrunde, dass ab 1786 der Ehemann zur Bestimmung des gemeinsamen Wohnorts berechtigt und die Ehefrau dazu verpflichtet war, dem Ehemann an seinen Wohnort zu folgen (vgl. die Ausführungen im Menüpunkt Normen). Stimmte der Wohnort des Ehemannes nicht mit der Ortsangabe des Pfarrzeugnisses überein, lag aber der Wohnort der Ehefrau im entsprechenden Pfarrbezirk, so nahmen wir die Adresse der Ehefrau als Wohnort des Ehepaares an. In diesem Fall war zu vermuten, dass die Frau in der gemeinsamen Wohnung verblieben, der Mann aber ausgezogen war, was etwa 1832 beim Ehepaar Sternickel zutraf, da das Haus in der Wiener Innenstadt Elisabeth Sternickel gehörte.

Eine Ausnahme bildeten Ehepaare, von denen sich ein Eheteil im Gefängnis befand. So beantragte der Wiener Magistrat 1831, eine gerichtliche Kommission zur Scheidung von Franz und Barbara Walser ins k. k. Provinzialstrafhaus schicken zu dürfen. Davor wären, so der Richter, noch die vorgeschriebenen Versöhnungsversuche vom zuständigen Pfarrer und der scheidungswilligen Ehefrau mit dem zu mehreren Jahren schweren Kerker verurteilten ehemaligen Lohnkutscher im Gefängnis zu absolvieren. Die niederösterreichische Landesregierung lehnte dieses Gesuch jedoch ab, da die „zum schweren Kerker verurteilten […] Sträflinge […] weder unter den Lebenden ein verbindliches Geschäft schließen, noch einen letzten Willen errichten können […]“.

Die andere Ausnahme bildeten Ehepaare mosaischer Religion bzw. nichtkatholischer Konfessionen. Das zum Zeitpunkt des Scheidungsverfahrens in Gumpendorf Nr. 49 lebende Ehepaar Karl August und Christiane Zettler, beide evangelisch AB, legte 1816 das Zeugnis des Superintendenten und Predigers Johann Wächter aus der lutherischen Stadtkirche vor. Wollte eine katholische Ehefrau die Scheidung von ihrem lutherischen Ehemann durchsetzen, so reichte in der Regel das katholische Pfarrzeugnis aus, wie etwa im Fall von Theresia Roth 1831 oder Josepha Mathes 1848. Gelegentlich legten gemischt-konfessionelle Ehepaare zwei verschiedene Pfarrzeugnisse vor, so etwa Philipp Christian und Anna Mack im Jahr 1830 oder die bereits genannten Elisabeth Anna und Johann Christian Sternickel, die 1832 neben dem zu Beginn angeführten katholischen Trennungszeugnis auch ein evangelisches einbrachte.

Digitalisat: Zeugnis für Johann Christian und Elisabeth Sternickel vom 11. April 1832

Im Unterschied zum oben angeführten und fünf Wochen später ausgestellten katholischen Pfarrzeugnis hielt der lutherische Prediger am 11. April 1832 fest, dass er zwar die drei vorgeschriebenen Versöhnungsversuche durchführen wollte, Johann Christian Sternickel sich jedoch geweigert hatte zum zweiten und dritten Termin zu erscheinen, „da von seiner Seite eine gerichtliche Scheidung weder gesucht noch beabsichtigt werde“. Er konnte lediglich bestätigen, dass Elisabeth Sternickel zu allen drei Terminen gekommen war und „immerfort auf ihrem Vorsatz beharrt [hatte], getrennt zu werden“.

2. Quantitative Ergebnisse

RELIGION

Wie nachstehende Tabellen zeigen, gehörte die weitaus überwiegende Mehrheit der 670 Ehepaare der römisch-katholischen Kirche an. Bemerkenswert ist, dass immerhin 32 Ehepaare interkonfessionell waren, wobei es auffälliger Weise deutlich öfter der Ehemann war, der nicht der römisch-katholischen Konfession angehörte. Auffallend ist zudem, dass nahezu alle Personen, die nicht der römisch-katholischen Konfession angehörten, nicht im Erzherzogtum geboren waren, sondern in anderen Teilen der Monarchie, in anderen Territorien des Reichs oder in der Schweiz.

Tabelle 1 a und 1 b: Religion der Ehepartner*innen

Interkonfessionelle Ehepaare

HEIRATSDATUM

Während wir für die frühneuzeitlichen Ehepaare das Heiratsdatum oft nicht rekonstruieren konnten, wurde vor den weltlichen Gerichten bei strittigen Scheidungen das Heiratsdatum oft bei der Verhandlung abgefragt. Unerwähnt blieb das Heiratsdatum dagegen oft in den Anträgen zur Genehmigung einer einverständlichen Scheidung, wo wir ebenfalls auf die Pfarrmatriken verwiesen waren. Wie nachstehende Tabelle zeigt, konnten wir immerhin für drei Viertel der 670 Ehepaare, welche in den untersuchten Zeitsegmenten ein Eheverfahren vor dem Zivilmagistrat führten, das Heiratsdatum eruieren.

Tabelle 2: Untersuchungszeitraum | Heiratsdatum

ZIVILSTAND | TRAUUNG

Wie nachstehende Tabelle zeigt, konnten wir aus den Einträgen in den Trauungsbüchern für 402 Ehefrauen und 391 Ehemänner ihren Zivilstand zum Zeitpunkt der Hochzeit feststellen.

Tabelle 3: Zivilstand bei der Trauung nach Geschlecht

Auf den ersten Blick springt die Differenz zu den frühneuzeitlichen Ehepaaren ins Auge. War es in der frühen Neuzeit für die knappe Mehrheit der Frauen wie auch der Männer zumindest die zweite Ehe, so waren in diesem Untersuchungszeitraum knapp mehr als drei Viertel der Frauen und immerhin noch 70,3 % der Männer bei der Eheschließung ledig.

Wie die nächste Tabelle zeigt, konnten wir bei 384 Ehepaaren den Zivilstand für beide Brautleute eindeutig feststellen. Auch hier gibt es eine deutliche Differenz zu den frühneuzeitlichen Ehepaaren. Während in der Frühen Neuzeit nur in einem knappen Drittel Braut und Bräutigam ledig waren, liegt der Anteil der neuzeitlichen Ehepaare, wo beide Brautleute ledig waren bei knapp 61 Prozent. In der zweithäufigsten Konstellation heiratete auch in diesem Zeitraum ein Witwer eine ledige Frau (18,8 %). An dritter Stelle (10,7 %) folgte auch hier die Konstellation, dass sich eine Witwe zu einer Ehe mit einem meist erheblich jüngeren Junggesellen entschlossen hatte. Und mit 9,9 Prozent war statistisch betrachtet die Konstellation, dass eine verwitwete Frau und ein verwitweter Mann beschlossen, den weiteren Lebensweg als Ehepaar zu verbringen, ebenfalls am seltensten.

Tabelle 4: Zivilstand bei der Trauung pro Ehepaar

HEIRATSALTER

Für 389 Frauen und 398 Männer konnten wir das Alter bei der Heirat in Erfahrung bringen. Auch hier zeigt sich wieder ein deutlicher Unterschied zu den frühneuzeitlichen Ehepaaren. Dass die neuzeitlichen Ehepaare bei der Heirat durchschnittlich jünger waren, spiegelt den Umstand, dass der Anteil an Erstehen signifikant höher war. Ein Fünftel der Frauen (77), aber nur ein Prozent der Männer (4) waren bei der Hochzeit unter 21 Jahre alt. Mit 5 Frauen und 19 Männern ist der Anteil von Eheschließungen erstaunlich hoch, wo zumindest ein Eheteil bei der Hochzeit das 50. Lebensjahr bereits überschritten hatte. Wie nachstehende Tabelle ebenfalls zeigt, findet sich die größte Gruppe der Frauen in der Alterskohorte zwischen 21 und 25 Jahren (33,2 %), die Männer in der Alterskohorte zwischen 26 und 30 Jahren (31,2 %).

Tabelle 5: Alter bei der Trauung nach Geschlecht

ALTERSDIFFERENZ DER EHEPAARE

Für 386 der neuzeitlichen Ehepaare gelang es uns, sowohl für den Ehemann als auch für die Ehefrau das Alter zu eruieren: Wie nachstehende Tabelle zeigt, wiesen 22 der Ehepaare keine Altersdifferenz auf. Knapp über zwei Fünftel der Ehepaare (42,2 %) waren annähernd gleich alt, hatten eine Altersdifferenz bis zu 5 Jahren. Weitere 31,9 % der Ehepaare wiesen eine Altersdifferenz zwischen 6 und 10 Jahren auf, wobei in drei Viertel der Fälle der Ehemann älter war. Bei Ehepaaren mit einer Altersdifferenz mit mehr als 11 Jahren war in der weitaus überwiegenden Mehrheit der Ehemann älter. Unter den 22 Ehepaaren, welche eine Altersdifferenz über 21 Jahre aufweisen, finden sich nur 2 Ehepaare, wo die Frau älter ist, unter den fünf Ehepaaren mit einer Altersdifferenz von mehr als 31 Jahren ist der ältere Eheteil ausschließlich der Ehemann. Anders formuliert: Nur zwei Frauen im Quellensample entschieden sich für einen Ehemann, der mehr als 20 Jahre jünger war, während umgekehrt 20 Männer Frauen wählten, die zumindest 20 Jahre jünger waren.

Tabelle 6: Altersdifferenz der Ehepartner*innen

SOZIALE POSITION BEI DER HEIRAT

Für 310 Frauen (46,3 %) und 372 Männer (55,5 %) der 670 Ehepaare konnten wir eine grobe soziale Verortung vornehmen. Wie bereits bei der Beschreibung der frühneuzeitlichen Ehepaare ausgeführt, muss die vorgenommene Zuordnung zu einem der in der nachstehenden Tabelle aufgelisteten wirtschaftlichen Sektoren mit Vorsicht interpretiert werden. Zum einen war es aufgrund der langen Untersuchungszeit von der Mitte des 16. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts schwierig, Raum und Zeit übergreifende Wirtschaftsbereiche zu definieren. Zum anderen gilt es zu bedenken, dass, auch wenn die Einträge in den Trauungsmatriken des 19. Jahrhunderts meist ausführlicher sind, sie weiterhin einer patriarchalen Logik gehorchen. Nur selten erfahren wir von ledigen wie auch von verwitweten Frauen, wie sie bis zum Zeitpunkt der Hochzeit ihren Lebensunterhalt bestritten. So auch im obigen Screenshot des Trauungseintrages von Theresia Philippe aus dem Jahr 1832. Verfügten wir über keine anderen Informationen, so ordneten wir auch in diesem Untersuchungszeitraum ledigen Frauen und Männer den Wirtschaftssektoren der Eltern, verwitwete Frauen den Wirtschaftssektoren der verstorbenen Ehemänner zu.

Tabelle 7: Sozioökonomische Position bei der Trauung nach Geschlecht

EHEDAUER

Setzen wir das Trauungsdatum mit dem Datum der ersten Klage bzw. dem Gesuch um eine einverständliche Scheidung in Bezug, so zeigt sich ebenfalls eine Differenz zu den frühneuzeitlichen Ehepaaren. Während in der Frühen Neuzeit bei der Hälfte der Ehepaare die Ehekonflikte bereits in den ersten fünf Ehejahren so schwerwiegend waren, dass sie in den Protokollbüchern der beiden untersuchten Konsistorien Spuren hinterließen, liegt dieser Anteil bei den neuzeitlichen Ehepaaren nur bei 38,1 %. Bei diesem Vergleich gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass in diesem Untersuchungszeitraum der Anteil von Cohabitierungsklagen nur 2,6 Prozent der Verfahren ausmachte, in der Frühen Neuzeit dagegen gemeinsam mit den Klagen zur Verhandlung der Bedingungen der ehelichen Cohabitierung bei 26,5 Prozent lag. Ähnlich hoch wie in der Frühen Neuzeit ist mit einem Viertel der Anteil der Ehepaare, die nach 6 bis 10 Ehejahren eine Scheidung beantragten. Mit 7,8 Prozent vergleichbar hoch ist auch der Anteil der neuzeitlichen Ehepaare, die beim ersten Verfahren vor dem Zivilmagistrat länger als 21 Jahre verheiratet waren, 5 Ehepaare (1 %) sogar länger als 30 Jahre.

Tabelle 8: Ehedauer bis zum ersten Eheverfahren

ALTER BEIM SCHEIDUNGSGESUCH BZW. DER KLAGE

Für 404 Frauen und 418 Männer konnten wir das Alter beim Gesuch um eine einvernehmliche Scheidung bzw. bei der ersten Klage auf Scheidung, Annullierung oder Cohabitierung rekonstruieren. Diese im Vergleich zum Alter bei der Eheschließung etwas höhere Anzahl der Daten ergibt sich neuerlich daraus, dass wir nicht für alle Ehepaare das Heiratsdatum eruieren konnten. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, waren 10 Frauen, aber nur ein Mann zu diesem Zeitpunkt unter 20 Jahre alt. 38 Frauen und 69 Männer hatten das fünfzigste Lebensjahr bereits überschritten.

Tabelle 9: Alter beim ersten Eheverfahren nach Geschlecht

SOZIALE POSITION WÄHREND DER EHE

Die folgenden beiden Tabellen geben einen Einblick, womit die Ehefrauen bzw. die Ehemänner während der Ehe ihren Lebensunterhalt verdienten. Bei einverständlichen Scheidungen übernahmen wir die Berufsangaben in aller Regel den Anträgen zur Genehmigung der Scheidung; bei strittigen Scheidungen, die über Jahre dauern konnten, nahmen wir in der Personendatenbank vor allem jene Berufsangaben auf, die sich auf die Zeit der Ehe bezogen. Erschwerend für die sozioökonomische Positionierung der Ehefrauen wirkte sich die patriarchale Logik ihrer Positionierung über die Eltern bzw. der Ehemänner aus, die im 19. Jahrhundert nicht mehr nur in der Matrikenführung, sondern nun auch in den Verfahrensakten zum Tragen kam.  Während in den Konsistorialprotokollen der Frühen Neuzeit Frauen, die gemeinsam mit dem Ehemann das Handwerk oder Gewerbe betrieben, als Schneidermeisterin, Handelsmännin oder Bäckermeisterin angeführt wurden, scheinen sie im 19. Jahrhundert lediglich als Gattinnen auf, denen die Protokollanten den Beruf des Ehemannes beifügten. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: die Ehefrauen werden als Schneidermeistersgattin, Handelsmannsgattin oder Bäckermeistersgattin bezeichnet. Da in den Mikrostudien deutlich wird, dass die Ehefrauen und Ehemänner auch im 19. Jahrhundert in aller Regel Arbeitspaare bildeten, ordneten wir die Ehefrauen den Berufssektoren der Ehemänner zu. Davon ausgenommen blieben selbstverständlich all jene Fälle, wo die Ehemänner etwa als Beamte einen eigenständigen Beruf ausübten, wodurch wir insgesamt weniger berufliche Angaben über Ehefrauen eruieren konnten.

Tabelle 10: Sozioökonomische Position der Ehepartner*innen nach Geschlecht

Betrachten wir den mit knapp der Hälfte der Ehefrauen und Ehemänner am stärksten vertretenen Sektor Handwerk und Gewerbe genauer, so zeigt sich, dass ähnlich wie in der Frühen Neuzeit das Bekleidungs-, Textil- und Ledergewerbe den größten Anteil ausmachte, gefolgt vom Sektor Bau, Holz und Metall mit mehr als einem Fünftel der Ehefrauen und Ehemänner. Stark vertreten unter den scheidungswilligen Eheleuten waren Gastwirte und Gastwirtinnen sowie Männer und Frauen, die in der nahrungs- und Genussmittelproduktion tätig waren. Dass die Anteile von Frauen und Männern in den einzelnen Sektoren nicht signifikant voneinander abweichen, liegt zumindest teilweise an der oben beschriebenen Methode der Berufsermittlung und sozioökonomischen Positionierung.

Tabelle 11: Handwerk und Gewerbe der Ehepartner*innen nach Geschlecht

WOHNORT WÄHREND DER EHE

Für 382 der 670 Ehepaare (57 %) gelang es uns, den Wohnort des Ehepaares zu bestimmen. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, lebten die Ehepaare, die ihr Eheverfahren vor dem Zivilmagistrat der Stadt Wien verhandelten, in der Inneren Stadt bzw. innerhalb der zwischen dem Glacis und dem Linienwall gelegenen Vorstädte, der heutigen Wiener Bezirke 1 bis 9. Die einzige Ausnahme, wo das Ehepaar in Penzing gewohnt hatte, erklärt sich dadurch, dass der Ehemann, Johann Petrasch, zum Zeitpunkt des einverständlichen Scheidungsverfahrens 1812 in der Josefstadt (8. Bezirk) lebte und der Wohnsitz des Ehemannes auch über das zuständige Gericht entschied. Dass ein Viertel der Ehepaare den Wohnsitz in der Inneren Stadt hatte, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass in der Inneren Stadt auch mehr Menschen als in den Vorstädten lebten.

Tabelle 12: Wohnorte des Ehepaares

Verwendete Literatur

In einer ersten quantitativen Auswertung haben wir 396 Ehepaare in den Blick genommen, welche vor dem Zivilmagistrat der Stadt Wien ein strittiges Eheverfahren führten. Die Recherche zu diesen Ehepaaren wurde  von der Kulturabteilung der Stadt Wien finanziell unterstützt, wofür wir danken. Zu diesen ersten Ergebnissen siehe: Birgit Dober, Andrea Griesebner, Susanne Hehenberger und Isabella Planer, Strittige Scheidungen vor dem Wiener Zivilmagistrat (1786–1850). Ein Projektbericht, in: Frühneuzeit-Info 30. Jg./ 2019, 188-195.

Andrea Griesebner, Susanne Hehenberger, November 2020
letzte Aktualisierung: Andrea Griesebner, Februar 2022.

Weiter: Ehepaaare  (1857–1868)
Zitation: Andrea Griesebner und Susanne Hehenberger, Ehepaare (1783–1850) » Einstieg » Ehepaare, in: Webportal. Ehen vor Gericht 3.0, 2024, <http://ehenvorgericht.univie.ac.at/?page_id=10128>. [Zugriffsdatum: 2024-11-21]