Archiv der Kategorie: Ehedebatten heute

Wahlkampf 1918/19

Im Wahlkampf 1918/19 wandten sich die Parteien an die erstmals wahlberechtigte weibliche Wählerschaft. Die christlichsoziale Partei warb mit folgendem Plakat für das Festhalten an der Unauflösbarkeit der Ehe und damit gegen die Ehereform:

http://www.onb.ac.at/ariadne/projekte/frauen_waehlet/Maedchen08.html
http://www.onb.ac.at/ariadne/projekte/frauen_waehlet/Maedchen08.html
Christlich=deutsche Frauen und Mädchen! Lasset nicht durch Verfechter der Ehereform Eure hehre, leuchtende Stellung als Gattin, Hausfrau und Mutter gegen ein unsicheres, dunkles Los vertauschen. Lasset die katholische Ehe nicht zu einem lösbaren Vertrage heruntersinken, der Euch nur Sorge und Elend brächte. Stellet Euch an die Seite von Millionen katholischer Frauen und Mädchen, die in einer Massenpetition an die Nationalversammlung die Unauflöslichkeit der katholischen Ehe in flammender Begeisterung forderten, wählet nur die Bekämpfer der Ehereform, das sind die christlichsozialen Wahlwerber!

Journal-Panorama über Scharia-Gerichte in Großbritannien

Die Bestrebungen, die Scharia – das islamische Recht – in Großbritannien anzuwenden, schilderte gestern das von Marion Bacher gestaltete Ö1 Journal-Panorama. Insbesondere im ersten Teil des Beitrags geht es um islamische Scheidungen vor Schariagerichten. Der Beitrag beschreibt den Kampf dagegen, dass familienrechtliche Angelegenheiten in privaten Schiedsgerichten abgehandelt werden dürfen, und fragt nach den geschlechtsspezifischen Implikationen einer „Paralleljustiz“ und den Gefahren für eine säkular Demokratie. Das Journal-Panorama kann auf 7 Tage Ö1 nachgehört werden.

Allahs Richter: Scharia-Gerichte in Großbritannien
Gestaltung: Marion Bacher

Das islamische Recht, die Scharia, ist schon längst in Europa angekommen. Besonders deutlich wird das in Großbritannien, das aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit besonders viele Migranten aus muslimischen Ländern aufgenommen hat.

Bereits 1982 öffnete der erste Schariarat in London seine Pforten. Seither bestimmen er und dutzende weitere islamische Schiedsgerichte über finanzielle und familienrechtliche Angelegenheiten tausender britischer Muslime. Gegnerinnen und Gegner sehen darin eine Paralleljustiz, die Frauen diskriminiert.

Duellieren als Rache für Ehebruch und als Rettung der männlichen Ehre

Der Roman Effi Briest von Theodor Fontane und die Novelle Lieutenant Gustl von Arthur Schnitzler erschienen an der Wende zum 20. Jahrhundert. Beide thematisieren unter anderem den Ehrenkodex des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Während Baron von Innstetten – der Ehegatte der Protagonistin in Theodor Fontanes Roman – nach Bekanntwerden der Liebschaft seiner Ehefrau mit einem Offizier nicht zögert und den Liebhaber im  Duell tötet, hadert der junge Leutnant in Arthur Schnitzlers Novelle mit dem Suizidgedanken, da er vom ihn beleidigenden Bäckermeister am Duell gehindert wurde und so dem militärischen Ehrenkodex nicht entsprechen konnte.

Interessant in Hinblick auf das Duellieren ist die gesetzliche Lage. Wie mich eine Kollegin aufmerksam machte, greift Evelyne Polz-Heinzl im Nachwort der bei Reclam erschienenen Ausgabe des Lieutenant Gustl diese Frage auf. Mit Verweis auf das von William M. Johnston 1974 erschienene Buch Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte hält sie fest, dass 1911 Duelle mit Ausnahme einiger triftiger Gründe verboten wurden. Zu diesen triftigen Gründen zählte der Ehebruch:

In den Jahren nach dem Erscheinen des Lieutenant Gustl sollte die Institution des Duells aber zusehends verfallen, und zwar genau aufgrund der Interferenzen mit justitiablen Tatbeständen. Hatte man Gesetzesverstöße duellierender Offiziere bislang nicht geahndet, hatte Kaiser Franz Joseph noch jeden Offizier, der einen Zivilisten getötet hatte, begnadigt, so verzeichneteten die ab 1902 gegründeten Ligen gegen das Duell stetige Erfolge. Ab 1911 waren Offiziere laut kaiserlichem Dekret nicht mehr verpflichtet, eine Duellaufforderung anzunehmen; mit einigen Ausnahmen, wozu etwa die Rache für Ehebruch gehörte, wurden Duelle verboten.

Arthur Schnitzler: Lieutenant Gustl, hg. von Konstanze Fliedl, 2011, Nachwort von Evelyne Polz-Heinzl, S. 94-95.

Stichwort: Zivilehe

Dass der Konflikt um die Einführung der obligatorischen Zivilehe in Österreich ein langer und ideologisch behafteter war und schlussendlich durch die Übernahme des nationalsozialistischen Eherechts im Jahr 1938 „gelöst“ oder besser beendet wurde, veranschaulicht Ulrike Harmat in ihrem Buch „Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938“.

Der Standard berichtet heute über den „Versuch einer zivilen Eheschließung“ im Libanon, der eine „heftige Debatte“ auslöste:

Alles begann mit Englisch-Stunden: Nidal Darwisch, Rezeptionist in einem Fitness-Studio wollte seine Fremdsprachenkenntnisse verbessern. Seine Lehrerin, Kholoud Sukkarieh, sollte auch bald seine große Liebe werden. Vor drei Monaten gaben sich die beiden schließlich das Ja-Wort. All das wäre eine ganz normale Liebesgeschichte, würden der Schiit Nidal Darwisch und die Sunnitin Kholoud Sukkarieh nicht im Libanon leben.
 Die Regierung in Beirut erkannte die Hochzeit nicht an, da sie nicht von einem offiziellen Vertreter einer der 18 im Libanon anerkannten Religionsgruppen registriert wurde. Der Fall löste eine heftige Debatte über zivile Eheschließungen im Libanon und wie sie die Balance des konfessionellen Proporzsystems ins Wanken bringen können, aus.
...

Stefan Binder: Libanon: Eine Hochzeit als Staatsaffäre, DerStandard.at, 06.02.2013.

Ulrike Harmat: Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, Frankfurt am Main 1999.

Karambolage über die Grenze zwischen zwei Staaten und das Ehefähigkeitszeugnis

Margarete Grandner und Ulrike Harmat haben sich in einem 2005 erschienen Artikel mit dem Wiederverehelichungsverbot für von Tisch und Bett geschiedene Katholiken und Katholikinnen beschäftigt. Anhand der 1893 geschlossenen SchauspielerInnen-Ehe Girardi-Odilon beschreiben die beiden Autorinnen Strategien der „Rechtsumgehung“ dieses Wiederverheiratungsverbots. Die Grenze zwischen Österreich und Ungarn führte in diesem Fall zu „grotesken rechtlichen Verwicklungen“.

Die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich nahm die Arte Reihe Karambolage in ihrer am Sonntag ausgestrahlten Sendung zum Anlass, um die „behördlichen Verrenkungen“ aufzuzeigen, die eine Französin und ein Deutscher im Zuge ihrer geplanten Eheschließung vollführen müssen.

Artikel
Margarete Grandner/Ulrike Harmat: Begrenzt verliebt. Gesetzliche Ehehindernisse und die Grenze zwischen Österreich und Ungarn; in: Ingrid Bauer/Christa Hämmerle/Gabriella Hauch (Hg.): Liebe und Widerstand. Ambivalenzen historischer Geschlechterbeziehungen (L’Homme Schriften 10: Reihe zur Feministischen Geschichtswissenschaft) Wien/Köln/Weimar 2005, 287–304.

Der Karambolagebeitrag kann noch bis Sonntag, 27. Jänner 2013 auf ARTE+7 nachgesehen werden.

Einigung bei Familienrechtspaket

Im Zentrum der Reformen des Familienrechts steht die gemeinsame Obsorge als Regelfall bei uneinvernehmlichen Scheidungen und bei Kindern unverheirateter Eltern. Mehr dazu auf oe1.orf.at:

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) haben gemeinsam das Familienrechtspaket geschnürt. Damit ist der Weg für die gemeinsame Obsorge von Eltern jetzt frei – auch im Fall der Scheidung und im Fall von Kindern, deren Eltern unverheiratet sind. [weiter ...]

Vorschläge für die Regelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften

Die beiden Wiener Zivilrechtlerinnen Constanze Fischer-Czermak und Barbara Beclin erarbeiteten Vorschläge für die gesetzliche Regelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Ihr Hauptaugenmerk richteten sie unter anderem  darauf, inwieweit neue Regeln für eine Trennung der PartnerInnen geschaffen werden können. Die JuristInnen greifen Fragen des Unterhalts, der Vermögensaufteilung und der Kinderobsorge auf.

dieStandard.at berichtet darüber: Trennung ohne Trauschein, dieStandart.at, 19. Juli 2012.

Ö1 Hörbilder über das erste Frauenhaus in Österreich

Das erste österreichische Frauenhaus und seine Geschichte(n) lautet der Titel des diesen Samstag um 09:05 Uhr auf Ö1 ausgestrahlten Radio-Features. Die Sendung kann eine Woche lang unter http://oe1.orf.at nachgehört werden.

"Die möcht' ein Freudenhaus eröffnen!" Das erste österreichische Frauenhaus und seine Geschichte(n). Von Isabelle Engels

Am 1. November 1978 wurde das 1. Frauenhaus Österreichs in Wien eröffnet. Und war alsbald überfüllt: Eine große Altbauwohnung diente als vorübergehende Bleibe für Frauen, die mit ihren Kindern vor dem gewalttätigen Ehemann flüchten mussten. Mit ihnen lebte dort, Tag und Nacht, eine Gruppe junger Sozialarbeiterinnen.

Das Frauenhaus hatten sie nach dem Vorbild von London und Berlin initiiert und fanden in der damaligen Gemeinderätin und späteren Frauenministerin Johanna Dohnal eine Politikerin, die der Idee zur Durchsetzung verhalf. Gewalt gegen Frauen war zu dieser Zeit noch ein großes Tabu. Und ein antiquiertes, bis 1978 geltendes, Eherecht hatte die Frau auch im gesellschaftlichen Bewusstsein zu einem Menschen zweiter Klasse degradiert.

Dementsprechend groß waren die Widerstände, die zu überwinden waren. "In Wien werden keine Frauen geschlagen", bekundete der damalige Wiener Bürgermeister Leopold Gratz und sowohl im Gemeinderat als auch am Stammtisch witzelte man: "Die Dohnal möcht' ein Freudenhaus eröffnen!"

Heute gibt es in Österreich 28 Frauenhäuser mit über 700 Plätzen. Und auch sonst hat sich viel verändert: Statt eines WG-Lebens mit basisdemokratischen Spielregeln und ohne jede Sicherheitsvorkehrung handelt es sich heute um gut überwachte Häuser mit kleinen Wohneinheiten und professioneller Arbeitsteilung. Auf politischer Ebene wurden Gewaltschutzgesetz und Interventionsstellen geschaffen. Trotzdem haben sich die Frauenhäuser nicht erübrigt: Sie sind nach wie vor voll belegt.